Mein Name ist Eugen
der Geschichtslehrer die ganze Schlacht so sehr erzählt, dass ihm ob den Baumstämmen, welche die Ritter mit todbringendem Kollern begrüssten, Tränen in die Augen traten, und er mit einem sehnsüchtigen Seufzen schloss: Ja, damals seien die Schweizer noch Helden gewesen!
Doch als ihn der Eduard in der Pause mit einem Schneeball haargenau ans Gilet traf, wurde ebenderselbe Lehrer gekränkt bis zu Strafaufgaben, dieser Lehrer, welcher zehn Minuten zuvor wegen der zerquetschten Ritter leuchtende Augen und einen wässerigen Mund bekommen hatte. Ja, wirklich, die Zeiten ändern sich: Ich bin sicher, wenn wir Vier auch nur einen halben Baumstamm einen halben Abhang hinunterwälzten, so käme heutzutage die Polizei und verhaftete uns Knaben.
Mittlerweile hatte es angefangen zu regnen, und wir setzten uns bei einem Hause an der Strasse nach Schwyz unter den Vorscherm. Wir sassen auf einer Scheiter beige und liessen die Beine baumeln, und wir erzählten uns viel schöne Sachen aus der Schweizergeschichte, und das war so gut und friedlich, und alles um uns war schön grün, und der Regen verbreitete überall einen frischen Geruch, und der Dachtrauf plätscherte, wir waren so fein am Trockenen, dass ich am liebsten für immer hier geblieben wäre.
Der Eduard schien von dem allem unberührt, denn er brummte, wenn der Regen nicht bald aufhöre, so bleibe uns nichts anderes übrig, als das Bundesbriefarchiv in Schwyz zu besichtigen.
Der Wrigley war sofort einverstanden. Er teile uns mit, dort stehe die Wiege der Eidgenossenschaft. Diese müsse man unbedingt gesehen haben.
Doch der Bäschteli unterbrach ihn mit der weisen Bemerkung, die Wiege der Eidgenossenschaft sei doch nur symbolisch.
Natürlich sei sie symbolisch, bestätigte der Wrigley: Ob wir denn glaubten, unser Land habe nur eine ganz gewöhnliche aus Holz, so, wie für einen Säugling? Nein, die Königin von England habe zum Beispiel auch eine Krönungstrotschke, aber wir befänden uns im Irrtum, wenn wir meinten, sie sehe ungefähr so aus, wie Trotschken in der Reitschule. Das sei vielmehr eine symbolische, aus lauter Gold und Diamanten, so schwer, dass fünfzig Rosse sie kaum von der Stelle bringen. Ungefähr so werde es sich mit der Wiege der Eidgenossenschaft verhalten.
So sprach der Wrigley, bis er plötzlich auf ein Messingschildchen am Hauseingang aufmerksam wurde, auf welchem es hiess:
«Eligius Rieder, Schuhmacher»
Wrigley hob hierauf verwundert seinen Blick und suchte mit den Augen das Vordach ab. Er fand, was er wollte, denn er begann zu strahlen:
Hier müsse es gewesen sein! Der Name Rieder stimme, und die Rolle des Flaschenzuges am Vordach stimme auch! Welch merkwürdiger Zufall habe uns an das Gestade dieses Hauses gespült.
Wir begriffen einstweilen noch nichts und mussten uns vom Wrigley folgendes erklären lassen: Vor vier Wochen habe ihm sein Onkel erzählt, dass er bei Rieders Ditschest etwas Tragisch-Komisches gelesen habe. Was Rieders Ditschest eigentlich sei, habe er, Wrigley, gar nicht recht gewusst, bis sein Auge auf das Messingschild gefallen sei. Jetzt sei es ihm klar, dass sich alles in diesem Hause zugetragen habe.
Was sich denn zugetragen habe?
Ach ja! Sein Onkel habe ihm also erzählt, hier sei einer der dümmsten Unfälle der Weltgeschichte passiert. Um ihn zu begreifen, müssten wir jetzt freilich scharf aufpassen. Ob wir jene Rolle oben am Vorscherm sehen?
«Ja.»
Ob wir uns vorstellen können, dass es einen handlichen Aufzug gebe, wenn man ein Seil über diese Rolle lege?
«Ja.»
Also, wenn das soweit klar sei, so könnten wir uns auch vorstellen, dass man am einen Ende des Seils eine Last anbinden könne, und dann müsse man am andern Ende reissen, bis sie oben sei und zur Luke unter dem Vordach hereingenommen werde.
Nun sei dem Rieder vor noch nicht langer Zeit folgendes passiert:
Er habe vom Estrich eine Ladung aufgestapelter Ziegel herunterschaffen wollen, und weil er sie nicht einfach hinabwerfen konnte und das Hinabtragen mühsam war, habe er am einen Ende des Seils ein kleines Lastenbrettchen befestigt, es heraufgezogen, das andere Ende drunten an einen Baum gebunden, und dann habe er die Ziegel zur Luke des Estrichs hinaus auf das Brett geladen, bis es voll war. Anschliessend sei er hinuntergegangen, um das Seil zu lösen und die Last sacht herabzulassen.
Wie er aber das Seil in Händen hielt, erwies sich die Ziegelladung oben beim Dach schwerer als der Herr Rieder unten auf der Erde, und darum hob es ihn
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