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Mein Name ist Eugen

Mein Name ist Eugen

Titel: Mein Name ist Eugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Schädelin
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frische Luft und eine herrliche Aussicht, und überdies sei man dort in Sicherheit.
    Aber weil der Rigi in dicke Wolken gehüllt war, hielten wir uns mutig an die Strasse nach Goldau.
    Unter Grabesstille traten wir in die Pedale, immer mit einem schiefen Blick nach rechts hinüber, wo man noch genau sah, woher die Felsen gekommen waren.
    Schweigend und bange fuhren wir auf diesem gefährlichen Pfad, und es schien uns, wir geraten mitten in den Weltuntergang hinein, als wir folgendes zu Gesicht bekamen:
    Mitten in der jetzt fast ganz von Gras überwachsenen hügeligen Trümmerstätte rechterhand der Strasse lagerten wie im tiefsten Frieden ein Jodlerklub samt Alphornbläser unweit eines Autocars. Diese Vermessenen sprachen laut und lachten, als seien sie bei sich zu Hause. Uns standen die Haare zu Berge, als diese Verrückten noch anfingen zu jodeln, so, dass es graulich von den Hängen niederhallte.
    Wir wussten: Jetzt galt es das Leben. Wie die Besessenen beugten wir uns über die Lenker. Den Bäschteli, weil er ein angeborener Schwächling ist, nahmen wir in die Mitte. Der Eduard führte, und der Wrigley machte den Schluss.
    Jeden Augenblick konnte es oben losbrechen mit fürchterlicher Gewalt.
    Wir spurteten ums nackte Dasein.
    Mit Erfolg!
    Zwei Kilometer weiter westlich hörte das Felssturzgebiet auf.
    Wir fielen mehr von den Rädern, als dass wir abstiegen, keuchten und sahen atemlos auf das, was zweifellos bald eintreten musste.
    Gegen den Luftdruck krochen wir hinter einen Felsen und kamen erst nach und nach zur Besinnung. Der Bäschteli sagte, jenen Jodlern geschehe es eigentlich ganz recht, denn in der Schweiz gebe es ohnehin zu viele überflüssige Vereine. Wir andern aber fanden, Mensch sei Mensch, und trotz allem sei auch ein Jodler Mensch und verdiene des Bäschtelis Erbarmen so gut wie einst die Hühner in Lavorgo. Wir beschlossen, tief erschüttert zu sein, und daraufhin erwogen wir den Gedanken, ob die Jodler durch uns nicht doch noch zu warnen seien.
    In diesem Augenblick sprang der Wrigley auf, mit einem eisernen Ausdruck in seinem Mienenspiel, und er hielt eine Rede, in der es hiess, wer von uns bereit sei, das Leben für andere in die Schanze zu schlagen, der trete vor.
    Nichts regte sich.
    Da holte der Wrigley zu einer zweiten Ansprache aus und sagte, wir sollten doch nicht so feige tun. Wenn uns nämlich dieser Coup gelinge, dann hefte uns der Bundesrat Etter die Carnegie-Medaille an die Brust, und wenn die Eltern daheim in diesem Augenblick auch noch so dunkle Pläne wider uns entwerfen, so müssten sie schweigen und staunen, wenn die Lebensrettungskommission ihnen je einen Palmenzweig in die Arme lege zum Dank für solch tapfere Söhne. —
    Darum frage er noch einmal: Wer von uns sein Leben zur Rettung der Jodler in die Waagschale zu werfen gewillt sei, der trete vor.
    Wie ein Mann machten wir entschlossen einen Schritt.
    Der Wrigley verabreichte uns einen Handschlag, nannte uns Brüder und hoffte auf ein Wiedersehen hier oder — dort, dann teilte er uns in drei Kolonnen, und mit je fünfzig Meter Abstand fuhren wir in den Gefahrenherd zurück. Nun sollte der Berg nur kommen! Helden zagen nicht, obgleich ich nicht behaupten kann, uns Vieren sei es besonders wohl in der Haut gewesen. Der Bäschteli in der Nachhut jedenfalls hatte seinen Abstand schon verdächtig vergrössert, und eben wollte ich mich umkehren, um ihn heranzuwinken, da brauste es hinter der nächsten Kurve, und unter lautem Jodeln fuhr die ganze Bande in ihrem Car an uns vorbei, als wären wir nicht soeben aufgebrochen, sie aus tiefster Not zu befreien. Der Eduard bekam eine Orangenschale an den Kopf, und mich streifte das Alphorn, welches der betrunkene Bläser zum Fenster hinaus schallen liess. — Keiner dort drin hatte eine Ahnung, welch höchster Gefahr er entronnen war.
    So sind die Menschen.
    Wir Vier aber hatten von der Innerschweiz genug, und endgültig machten wir uns auf, um so schnell wie möglich das Ziel unserer Wünsche, Zürich, zu erreichen.

SIE

    Der Weg nach Zürich war mit guten Vorsätzen gepflastert. Aber auch mit Fallstricken. Nur so ein kleines Müsterchen:
    Nachdem es längstens dunkel geworden war und wir an Goldau vorbei den Zugersee erreicht hatten, dachten wir ans Schlafen und tasteten nach einem Lagerplatz. Unglücklicherweise scheint jeder einzelne Zuger auf dem Lande einen Park zu besitzen, denn links und rechts von der Strasse sind Zäune, und wie so oft in der Schweiz ist hier überall der

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