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Mein Name ist Eugen

Mein Name ist Eugen

Titel: Mein Name ist Eugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Schädelin
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Eintritt bei einer Busse von Franken eins bis fünfzig nebst einem bissigen Hund verboten.
    Wir suchten lange und dringlich, da wir hier und da einen dicken Regentropf an der Stirne fühlten, und wir waren daher sehr froh, als wir im Vorwärtstasten merkten, wie der Zaun aufhörte und öffentliches Gelände begann.
    Ohne die Hand vor dem Gesicht zu sehen, stellten wir Könner unser Zelt auf und kamen eben damit zurecht, als uns ein zentraleidgenössischer Wolkenbruch ins Innere trieb, wo wir vom anstrengenden Tag ermattet in unsere Schlafsäcke sanken, und sogleich hörten wir den Bäschteli schnarcheln und seine Portion Kolynos abwarten.
    Eine Nacht im Zelt ist schön. Man räkelt sich am Trockenen, man hört das Prasseln des Regens auf dem Doppeldach. Man denkt an dieses und jenes, riecht das Gras und kuschelt sich.
    Aus meinen Gedanken weckte mich der Wrigley mit einem komischen Laut, und als ich mich umdrehte, keuchte er kaum hörbar, es sei ein Tier, so etwas wie eine Schlange im Zelt. Hätte mich nicht der Schreck gelähmt, so wäre ich aufgesprungen; so aber verhielt ich mich still, wohl vierzig oder fünfzig Stunden lang, aber weil man nach so langer Zeit das eigene Skelett schmerzhaft zu spüren beginnt, drehte ich mich endlich, und dabei musste meine Hand über den Schlafsack hinausgeraten sein, denn ich streifte mit dem Handrücken etwas so Kaltes, so Glattes und so Schlüpfriges, dass ich einen Schrei ausstiess.
    Darob erwachte der Eduard, fragte, was wir hätten, und als ich ihm zuraunte:
    «Schlangen!»
    knipste er seine Taschenlampe an, und der Anblick, der sich uns bot, war mehr als erstaunlich:
    Das ganze Zelt voller Tulpen!
    Dies also waren die Schlangen gewesen, die sich so kalt und glatt anfühlten, und erleichtert seufzten wir auf.
    Wir waren viel zu müde, um uns über die Herkunft dieser Gewächse überflüssige Gedanken zu machen, und ehe wir dieser Frage weiter nachgehen konnten, waren wir samt und sonders hinüber.
    Die Sonne schien hell aufs Zeltdach, als wir unsere Augen öffneten, aber nicht sie, sondern aufgeregte Stimmen draussen weckten uns. Der Wrigley kroch zum Eingang und guckte durch einen Spalt hinaus, zog seinen Kopf aber sogleich zurück.
    «Schrecklich!» sagte er.
    Als schliesslich auch wir anderen einen Blick in die Landschaft warfen, da kamen wir um die Erkenntnis nicht mehr herum, dass wir zehn Schritte neben einer Herrschaftsvilla mitten im Tulpenbeet unser Zelt errichtet hatten, und der Besitzer — mindestens ein Herr Baron — stand mit seiner ganzen Familie eigenhändig davor und jagte uns mit Schimpf und Schande von dannen.
    Mit abgesägten Hosen fanden wir uns nach einer halben Stunde auf der Landstrasse, und ich glaube, die Schmähreden hätten wir noch verschmerzt. Dass uns aber der Herr Baron in Anwesenheit eines holden Mädchens Landstreicher genannt hatte, das frass an unserer Seele.
    Der Eduard sagte zwar, die habe ja Laubflecken gehabt.
    Der Bäschteli fuhr fort: «Und O-Beine.»
    Der Wrigley ergänzte, aus Mädchen mache er sich nichts, die seien überall nur im Weg. Ja, er, der mit einer Schwester behaftet ist, sprach wahrlich aus Erfahrung.
    Und doch konnten wir die Sache nicht vergessen. Dass der Wrigley von jenem Mädchen in seinem Pijama gesichtet worden war, welches er nicht nur seit drei Wochen trug, sondern das noch immer vom Grundwasser in Tenero verstümmelt war, das überwand er kaum.
    Er behauptete zwar das Gegenteil, und wir überboten einander, die Überflüssigkeit der Mädchen zu beteuern. Das brachte die anderen darauf, mich wieder einmal mit dem Böhni Krummenacher aufzuziehen.
    Und daran waren nur meine missleiteten Eltern schuld .
    Ich weiss nämlich nicht, aus welchem Grund jedes Elternpaar, das ein dreijähriges Kind und einen Photoapparat besitzt, derart blödsinnig darauf erpicht ist, seinen Sprössling nackt im Garten zu photographieren. Auch meine Eltern frönten dieser Leidenschaft. Davon klebt noch heute im Familienphotoalbum mancher beschämende Denkzettel. Einmal freilich hatte ich sämtliche nackten Bilder herausgerissen und vernichtet, aber mein Vater strafte mich zuerst und suchte hernach die alten Filme hervor, um neue Kopien machen zu lassen.
    Nun muss ich schon sagen: Was einst, noch lange vor der Zeit, an die ich mich erinnern kann, in unserem Garten geschah, ist schwere Kindsmisshandlung.
    Damals wohnte nämlich im Hause nebenan die Familie Krummenacher mit einem zweijährigen Böhni. Kaum war es an einem

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