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Mein Name ist Eugen

Mein Name ist Eugen

Titel: Mein Name ist Eugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Schädelin
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wie eine Rakete in die Höhe. Im Hinauffahren streifte er sehr schmerzhaft die Ziegel und brach sich das Schlüsselbein. Aber er fuhr weiter hinauf und schmetterte zuoberst mit dem Kopf an das Vordach, während unten das Brettchen so unsanft zu Boden kam, dass die Hälfte der Ziegel herunterfielen . Somit bekam Herr Rieder in schwindliger Höhe das Übergewicht und fuhr sausend in die Tiefe. Während der Fahrt rammte er mit dem Schienbein das herauffahrende Brett, brüllte vor Schmerz, aber krachte eine Sekunde später mit dem Gesäss auf den Boden der Innerschweiz, liess natürlich vor Schreck das Seil fahren und bekam sehr bald das Brett mit dem Rest der Ziegel aufs Haupt.
    Der Wrigley fügte dieser Geschichte noch bei, der Versicherungsinspektor habe eine Viertelwoche diesen Unfall lernen müssen, bis er ihn auswendig konnte.
    Das arme Opfer aber sei zweifellos dieser Rieder in diesem Hause gewesen.
    Spornstreichs stand der Wrigley auf, um sich im Inneren nach dem Befinden Herrn Rieders zu erkundigen und um nötigenfalls der Witwe zu kondolieren.
    Nach fünf Minuten erscholl drinnen ein dröhnendes Gelächter, und als der Wrigley herauskam, behauptete er strahlend: Jawohl, der Mann da drinnen müsse es gewesen sein, denn als er ihn an den Vorfall erinnerte, da habe Herr Eligius Rieder einen Lachkrampf bekommen und vom tragischen Unfall überhaupt nichts mehr wissen wollen, und wir wissen es ja noch von der Tante Melanie her, wie typisch das für Hirnschläge und -erschütterungen sei: Der Bruder des Hubert Rieser sei doch einmal vom Viermetersprungbrett im Bubenbad kopf-voran auf den Bauch eines hartleibigen Herrn gesprungen, worauf er alles Latein und einen grossen Teil seines Französisch verschüttete; und auch jener Jankee beim Mark Twain habe in der Fabrik einen Dampfhammer auf den Kopf bekommen, und dann sei er im zwölften Jahrhundert erwacht und sei mit dem Velo beim Hof des Königs Artus vorgefahren. Überhaupt, bei Hirnerschütterungen geschehen die merkwürdigsten Sachen, und schon oft habe er daran gedacht, auch unser Rechnungslehrer in Bern sei ein solches Produkt.
    Lieber Leser, begreifst du, dass über solchen Reden der Regen langsam aufhörte? Eine halbe Stunde später standen wir im Bundesbriefarchiv in Schwyz.
    Dort suchten wir zuerst die Wiege. Der Abwart erklärte uns auf unsere Frage mit einem Lächeln, die Wiege der Eidgenossenschaft sei symbolisch.
    Ja, genau die symbolische wollten wir sehen.
    Da grinste der Abwart noch mehr und erklärte, in dem Fall müssten wir schon aufs Rütli gehen, und erst jetzt bemerkten wir die Verwechslung.
    Mit einem «Ah, ja, klar!» zogen wir von hinnen, das heisst, bis zu jenem hell erleuchteten Kasten mit dem Bundesbrief.
    Wir bekamen alle Gänsehaut, und es war so feierlich, dass wir nur noch flüsterten. Wir waren erfüllt von Ehrfurcht für Uri, Schwyz und Unterwalden, und das Blut vom Stauffacher, vom Dufour und vom Teil, mit welchem er geschrieben war, das war schon ganz schwarz vor Alter.
    Wir dachten daran, wie viel mehr Glück die Waldstätte einst doch gehabt hatten, als wir Vier damals zu Fiesch im Ferienhaus von Eduards Vater, als auch wir einen Bundesbrief schrieben und uns feierlich gelobten, von nun an auf ewig ganz frei zu sein, — und am gleichen Nachmittag gab uns besagter Vater Stubenarrest, bloss wegen eines leiden Missverständnisses, und alle Freiheit war futsch.
    Solche Erfahrungen machen bitter und verhärten das Gemüt.
    Wir dachten daran, dass auch die Urkantone es nicht leicht gehabt hatten, und der Wrigley nahm seine Mütze ab und flüsterte, er entblösse das Haupt vor unseren Altvorderen, und dann fuhren wir weiter mit Ziel Zürich vor Augen am Lowerzersee vorbei.
    Nicht ohne Angst kamen wir in diese Gegend.
    Trotz unseres Geographielehrers wussten wir nämlich ganz genau, was in dieser Gegend passiert war, und warum es überhaupt diesen See gab: Vor hundert Jahren hatte der Rossberg gekalbt, wie der Fachausdruck heisst, und das ganze Tal wurde von Felsen und Schutt bedeckt, und ganz Goldau liegt hundert Meter tief begraben.
    Dort ist man keinen Augenblick sicher, ob der Rossberg nicht von neuem kalbt, und der Bäschteli sagte, wenn man durch das Trümmergebiet fahre, so müsse man mäuschenstill sein, denn es brauche nur einen unvorsichtigen Schall, so lösen sich von der winzigen Erschütterung neue Felsstürze.
    Der Bäschteli, und ich muss gestehen, auch wir anderen waren dafür, über den Rigigrat zu wandern. Dort gebe es

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