Mein Name ist Eugen
ohne grossen Reiz.
Also zurück an die Hardstrasse.
Eine Stunde zu früh.
Das war unser Unglück, denn was kommt einem in einer langen Stunde nicht alles in den Sinn!
Als wir nämlich vor Fritzelis Garten neben dem Eisentürchen auf dem Mäuerchen sassen, bohrte der Wrigley in den Nasenlöchern, und ich kann versichern: Wenn dieser Mensch so bohrt, dann ist das ein untrügliches Zeichen, dass er denkt.
Darum meinte er dann plötzlich: Der Fritzeli, welcher gute fünfzehn Jahre älter ist als wir, der kenne uns ja nicht und wir ihn nur vom Hörensagen, und vielleicht sei es ihm so lang wie breit, wenn wir ihn besuchen. Unter Umständen halte er uns zuerst für Milchkinder, besonders, wenn sein Auge zufällig auf den Bäschteli falle, und Milchkinder möge er bekanntlich nicht riechen.
In solchem Falle wäre unser ganzer Besuch für die Katze.
Irgendwie müsste man ihm zum vornherein imponieren können und ihm ein Abenteuer veranstalten. Das wäre die rechte Einführung, denn der Fritzeli Bühler besitze eine Unmenge romantischer Adern, und er sei nur glücklich, wenn er ein wenig in Lebensgefahr schwebe.
So beschlossen wir denn nach einigem Hin und Her einen Raubüberfall, nur so zum Schein und zur Einführung, wie es der Wrigley nannte.
Als es dunkel wurde, bezogen wir im Garten links und rechts der Haustüre in den Buchssträuchern Posten, und dreiviertel Stunden verhielten wir uns mäuschenstill.
Zuerst schlief mein linkes und dann dem Eduard sein rechtes Bein ein, und beinahe hätte die ganze Szene mit einer peinlichen Verwechslung geendet, als nach acht eine mittlere Gestalt den Garten betrat und wir uns zum Sprunge strafften. Erst im allerletzten Augenblick bemerkten wir, dass es die Zeitungsfrau war.
Du meine Güte, welcher Blamage wären wir beinahe zum Opfer gefallen!
Das Warten ging weiter.
Die Nacht brach herein.
Es war spannend, und mir klopfte das Herz, und ich fragte mich, ob der Fritzeli wohl wirklich Wonne haben werde, sich von uns knebeln zu lassen, und in der Länge des Wartens vermehrte sich meine Bangigkeit.
Allerhand Gedanken schlichen sich ein, die gar nicht hierhergehörten. Ich dachte an mein Elternhaus, an meine Jugendzeit, an die ferne Heimat und ans Sterben, und just bei letzterem war ich angelangt, als wiederum das Gartentor ging.
Diesmal war es der Richtige.
Genau wie Winetou schnellten wir lautlos aus dem Gebüsch, und ehe der Fritzeli überhaupt Laut geben konnte, lag er gefesselt im Gartenhäuschen, und wir fragten uns im stillen nicht ganz ohne Sorge, wie viel Wonne nun wohl durch seine romantischen Adern fliesst.
Zum wenigsten das eine stand fest: Der wusste nun ein für allemal, dass wir keine Milchkinder seien.
Wie er da in der Dunkelheit wehrlos vor uns lag, teilten wir ihm mit, wir werden ihm den Knebel ein wenig lockern, damit er flüsternd Antwort geben könne, aber sobald er ein lautes Tönlein von sich lasse, machen wir ihn kalt.
Ich zog ihm das Taschentuch ein wenig aus dem Mund, aber ehe ich soweit war, erschrak ich:
Seine Wange war klebrig feucht!
Blut!
Mit zittrigem Finger entfernte ich den Knebel vollends, aber da begann dieser Fritzeli, unser Traumheld, leise zu wimmern, zu schluchzen und in sich hinein zu heulen.
War das die Möglichkeit!
Der Wrigley spielte vorderhand seine Rolle weiter und befahl ihm in grauenhaftem Ton, seinen Namen zu melden. Verschüchtert brachte er hervor:
«Armand Bühler.»
«Wie bitte?»
«Armand Bühler.»
«Nicht Fritz?»
«Nein, das ist — das ist mein Vater.»
Wir alle waren sprachlos vor Staunen. Hatte unser Fritzeli schon solche Söhne?
Der Eduard zückte ein Zündholz, und im Schein des Flämmchens sahen wir in das Gesicht eines dreizehnjährigen Zärtlings.
«Wie alt ist dein Vater?»
«Neunundfünfzig», war die erschütternde Antwort, und wenn man den Knaben sah, so glaubte man es ihm.
Allgemach schwante uns Vieren, dass wir den richtigen
Sohn eines falschen, ganz anderen Fritz Bühlers überfallen hatten, denn in der Tat, vielleicht gab es in dieser grossen Stadt der Fritz Bühler noch mehr!
Das änderte so ziemlich alles, und ohne viel Redens machten wir uns daran, den Irrtum rückgängig zu machen, aber weder hatten wir die Fesseln gelöst, noch war es uns gelungen, den eingeschüchterten Knaben sachte in sein seelisches Gleichgewicht zurückzuversetzen, da knarrte von neuem das Gartentor, und durch die Luke des Gartenhäuschens sahen wir einen handfesten Mann gegen die Haustüre
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