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Mein russisches Abenteuer

Mein russisches Abenteuer

Titel: Mein russisches Abenteuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Mühling
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die Küstenlinie
entlang nach Süden wanderte, wurde mir plötzlich klar, dass Russland hier
endete. Ein paar Kilometer weiter lag die abchasische Grenze. Wochenlang hatte
ich mich treiben lassen, erst nach Westen, dann nach Süden, jetzt ging es nicht
mehr weiter. Von hier aus führte der Weg nur zurück – zurück in die Taiga.

HOLZ
(Taiga)
    Gestern im Wald sah ich die russische
Idee
    Sie lief zwischen gefällten Kiefern umher
    Mit einem Strick um den Hals.
    (Juri Schewtschuk, 1999)
     
    Woran denkt ein Russe am Ufer des Jenisej
oder in der Tiefe der Taiga entlang des Amur? Jeder Weg, den er einschlägt,
scheint endlos zu sein. Er kann ihm Tage und Monate folgen, und immer wird um
ihn herum Russland sein.
    (Ryszard Kapuściński, 1993)
     
    »Warum denn nach links?«, dachte Nikolaj.
»Sind wir überhaupt auf dem richtigen Weg? Wir fahren ja Gott weiß wohin, und
Gott weiß, was mit uns geschieht; aber was mit uns geschieht, ist sehr seltsam
und schön.«
    (Lew Tolstoj, 1869)

Mischa und Mascha
    Der August hatte gerade begonnen, als ich nach Sibirien
zurückkehrte. Immer noch hatte ich keine konkrete Idee, wie meine zweite
Taiga-Expedition aussehen sollte. Auf keinen Fall wollte ich zurück nach Abasa
– die Stadt war so klein, dass sich eine Begegnung mit San Sanytsch kaum
vermeiden ließe, und schon bei der Vorstellung sträubten sich mir die
Nackenhaare. Stattdessen war ich nach Kemerowo geflogen, eine westliche
Nachbarrepublik von Chakassien, berühmt für ihre Kohlebergwerke. Gerüchteweise
hatte ich gehört, dass von hier aus eine zweite Route zu Agafja führte: aus dem
Südteil der Region zu Fuß durch die Taiga. Auf der Landkarte sah es nach einem
höllisch langen Marsch quer durch die Berge aus – aber wenigstens bestand keine
Gefahr, betrunkenen Bootsfahrern in die Hände zu fallen.
    In der Gebietshauptstadt Kemerowo brachte mich ein Bekannter mit
einem Lokalpolitiker in Kontakt, von dem es hieß, er könne Wunder bewirken. Als
ich den Mann in seinem Büro besuchte, versprach er mir überschwänglich das
Blaue vom Himmel. »Ich besorge dir einen Führer! Besser zwei Führer! Ihr
bekommt ein Satellitentelefon! Und Waffen! Geht alles auf meine Rechnung!«
    »Bezahlen würde ich lieber selbst«, wandte ich vorsichtig ein. So
sehr ich die Großzügigkeit des Mannes schätzte, mir fiel kein plausibler Grund
ein, warum meine Expedition von den Steuergeldern unterbezahlter
Schachtarbeiter finanziert werden sollte.
    Am nächsten Morgen fuhr eine silberne Limousine vor meinem Hotel
vor. Der Fahrer sprang aus dem Auto, um mir die Tür aufzuhalten. Auf der
Rückbank saß eine junge Frau, die sich als Ethnologin und Mitarbeiterin der
Regionalverwaltung vorstellte. »Wir haben einen kleinen Ausflug für Sie
vorbereitet«, sagte sie. »In den Nationalpark.«
    Während der zweistündigen Fahrt klingelte mein Handy. Ein Assistent
des Lokalpolitikers teilte mir kleinlaut mit, dass aus der Taiga-Expedition
leider nichts werde. »Wir haben versucht, einen Führer zu finden, aber niemand
will es machen. Es ist zu weit, zu schwierig. Tut mir leid.«
    Als wir im Nationalpark ankamen, begriff ich, dass der Ausflug eine
Art Entschädigung sein sollte, eine Ersatz-Expedition in die Ersatz-Taiga. Es
war gut gemeint, aber ich war in mieser Stimmung. Leicht genervt ließ ich mir
von der Ethnologin antike Felsinschriften und altslawische Holzbauten zeigen.
Meine Laune sank weiter, als die Frau im Wald plötzlich innehielt und die
Birken musterte. »Man sieht schon die ersten gelben Blätter«, sagte sie. »So
kurz ist der Sommer bei uns in Sibirien.« Ich spürte, wie sich mein Puls
panisch beschleunigte. Mir lief die Zeit davon. Bald würde der erste Schnee
fallen, und dann würde kein Weg mehr in die Taiga führen.
    Der Höhepunkt der Führung war eine Bärenfütterung. Mitten im Park
stand ein großer Zwinger. Zwei Braunbären, riesige, Furcht einflößende Tiere,
liefen nervös hinter den Stangen hin und her. »Mischa und Mascha«, stellte die
Ethnologin vor.
    Sie drückte mir eine Plastiktüte in die Hand, gefüllt mit rohen
Fleischbrocken. Brav warf ich ein Stück nach dem anderen in den Zwinger. Mascha
stürzte sich auf das Fleisch und riss es mit wütenden Kieferbewegungen in
Fetzen. Mischa sah mich traurig an. Lustlos schob er die Fleischstücke über den
Käfigboden, ohne zu essen.
    »Was ist mit ihm?«, fragte ich die Ethnologin.
    Betreten wandte sie den Blick ab. »Fragen Sie den Parkdirektor, das
ist sein Gebiet. Ich

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