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Mein Sanfter Zwilling

Mein Sanfter Zwilling

Titel: Mein Sanfter Zwilling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nino Haratischwili
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Bett. Er trug eine schwarze Jeans und ein löchriges T-Shirt, diese so beiläufig wirkende, so gedankenlos zusammengestellte Kleidung, die an ihm immer so fabelhaft aussah. Er sah mich an, und sein Grinsen wuchs ins Unerträgliche. So gut schien er über mich Bescheid zu wissen, dachte ich. Ich griff nach dem billigen Wein und presste die Flasche an meine Lippen.
    Auf dem abgenutzten Schreibtisch stand aufgeklappt ein Laptop, daneben lag eine teure Nikon. Ein paar Ausgaben der Times , aufgeschlagene Notizbücher und viele vollgeschriebene Zettel – im ganzen Raum verteilt. Ich hob ein paar von den Papieren hoch, blätterte die Zeitungsausschnitte durch, sah mir die Fotos an, während Ivo mich vergnügt musterte. Überall ging es um Georgien, ein Land, das ich nicht kannte und das mir nichts sagte.
    Schließlich drehte ich mich zu ihm. Ich sah seine kurzgeschnittenen Fingernägel, seine ungeputzten Stiefel mit den abgelaufenen Absätzen. Die scheinbar so penible Ordnung – abgesehen von dem Papierchaos – im Raum stimmte mich traurig, ich sah gewissermaßen seine Einsamkeit.
    – Bitte geh wieder weg, Ivo. Ich will das nicht. Ich habe ein Kind, bitte denk wenigstens an Theo. Es fängt schon wieder an. Ich kann nicht mehr arbeiten. Das Ganze fängt wieder an, ich habe keine Kraft.
    – Wenn die Mutter dieses Kindes nicht mehr weiß, wer sie ist, denkst du, so ein Kind wird glücklich sein?
    – Komm jetzt nicht mit schlauen Sprüchen, ja? Ich meine, du hast ja keine Ahnung von ihm.
    – Ich soll keine Ahnung davon haben, wie es ist, sechs, sieben, acht Jahre alt zu sein und eine Mutter zu haben, die unglücklich ist?
    – Ich bin nicht unglücklich!
    Ich hatte es geschrien und war aufgesprungen, um mich sofort wieder auf das Bett fallen zu lassen. Er kam einen Schritt näher und beugte sich zu mir herunter. Seine Haut war rau, und seine Augen glänzten, graugrün verschleierte Augen. Augen, die so viel verbergen konnten.
    Er kniete vor mir nieder und nahm meine Hand in seine. Ich schrak zurück, und die kleine, halbleere Weinflasche fiel um, keiner von uns achtete darauf, keiner sah zur Tür, ob sie geöffnet war oder abgeschlossen. In der Welt der toten Träume gibt es keine Türen, keine Kinder, es gibt keinen Alltag und keine Normalität. Genau wie an den Nachmittagen, an denen ich mit ihm im Garten herumgeschlichen bin und in die Welt der Erwachsenen hineinspähte. Ivo hielt meine Hand fest in seiner kühlen, feuchten Hand. Ich legte mein Gesicht an seine Stirn und verharrte steif in dieser Haltung.
    – Ich will, dass du mit mir kommst.
    – Ich kann nicht.
    – Hast du mich vermisst? Hast du an mich gedacht?
    – Ich habe an dich gedacht.
    – Oft?
    – Oft.
    Wir sahen uns an, und auf einmal erschienen mir seine Augen nicht mehr so verschleiert, und die Milde des Mittagslichts, die Milde in seinem Gesicht, die Milde in mir rührten mich. Ich schloss die Augen, ließ los, und er küsste mich. Ich spürte einen merkwürdigen Schauder, wie ein kaltes Zucken. Dann wurde es um mich still. Die Geräusche der Stadt, der hupenden Autos, des Lebens außerhalb unseres Zimmers versickerten in den Vorhängen, entfernten sich, bis sie ganz verschwunden waren.
    Wenn ich gedacht hatte, vor dem Abgrund zu stehen, hatte ich mich getäuscht, ich fiel bereits.
    Als er sich zu mir hinunterbeugte, wendete ich mein Gesicht ab. Da, da war wieder meine Liebe, meine schmerzende, meine vernarbte, zusammengeflickte Liebe.
    – Bitte dreh dich nicht weg.
    Auf einmal schlug Ivo die Hände vor sein Gesicht und fing an zu schluchzen, er weinte, genauso, wie er damals geweint hatte, als ich ihm eröffnete, nie mit ihm zusammen sein zu können, dass ich es nicht schaffen würde, mit ihm zu leben. Ich legte die Arme um ihn, roch den Gestank des sauren Weins, der sich auf dem Teppich ausgebreitet hatte. Ich hielt ihn fest und wiegte ihn, wie ich Theo gewiegt hatte, wenn er Bauchweh hatte und nicht schlafen konnte.
    Er küsste mich wieder, und durch seine Tränen schmeckte der Kuss nach Salz, nach all dem, was gewesen war, und nicht nach Zukunft. Er presste mich an sich, er presste mich gegen die Bettkante, ich spürte das Holz gegen meine Wirbelsäule drücken, und wieder war die Liebe wie gewohnt da: die Liebe samt der scharfen Kanten, an denen man sich schnitt.
    Er leckte meinen Hals, und ich hielt seine Schultern fest.
    – Hör auf!, schrie ich und rollte mich zur Seite weg. Er blieb reglos sitzen und sah mich an. Seine Augen waren

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