Mein Schwein pfeift
ich zurückgepfiffen.
»Was denn?«
»Den eigentlichen Grund Ihrer Engagierung. Heute Abend um acht ist Training. Morgen steht ein wichtiges Spiel gegen den Tabellendritten VfB Havixbeck an. Wenn wir die schlagen, können wir am letzten Spieltag mit einem Sieg gegen Borussia Billerbeck alles klarmachen.«
»Sie trainieren samstagabends?«
»Sondertraining. Normalerweise nur montags, mittwochs, donnerstags und freitags, aber das morgige Spiel ist extrem wichtig. Wir wollen und werden diese Saison in die NRW-Liga aufsteigen, und dafür müssen Opfer gebracht werden.«
»Ich werde dort sein. Dann also bis in...«, ich blickte auf die Armbanduhr, »... knapp vier Stunden.«
»Ich zähl auf Sie, Hansen.«
4
Z u Hause versorgte ich die Kaninchen mit Löwenzahn und Möhren. Dabei stellte ich mir vor, wie sie — ich meine nicht die Möhren - knusprig gebraten mit Rotkohl, Kartoffeln und einem trockenen Rotwein schmecken würden. Leider hatte Onkel Hugo in seinem Testament explizit festgelegt, dass alle Tiere lebenslanges Nießbrauchrecht genossen. Da die Viecher sich auch noch in einem rasanten Tempo vermehrten, musste ich ernsthaft über einen Ausbau der Verschläge nachdenken.
»Was wäre den Damen und Herren denn genehm? Eine Villa mit Terrasse und Swimmingpool?«, fragte ich in die fröhlich mümmelnde Runde. »Wenn ihr nichts sagt, wird es nur ein karger Verschlag«, versuchte ich, sie aus der Reserve zu locken. Da sie immer noch nicht antworteten, hatten sich die Langohren ihre künftige spartanische Behausung selbst zuzuschreiben.
Früher hatte auch noch die Sau Wilpert zu meinen Mitbewohnern gezählt. Leider hatte sie sich bereits nach einem halben Jahr in den Schweinehimmel aufgemacht. Zwecks Trauerbewältigung hatte mir mein Kumpel Stefan Jahnknecht das Ferkel Pedder geschenkt, das mittlerweile deutlich an Gewicht zugelegt hatte. Während Wilpert sich immer etwas mürrisch gezeigt hatte, war Pedder eine Frohnatur. Streicheln war allerdings gefährlich, da dieser Pawlow’sche Reflex regelmäßig seinen Schließmuskel stimulierte, was sich nicht gerade vorteilhaft auf die Sauberkeit meiner Kleidung auswirkte. Aber wer war schon perfekt?
Nach der Viehpflege wässerte ich die Sträucher und Büsche und jätete Unkraut, dabei fluchend wie ein Bierkutscher. Musste Schimanski sich etwa mit Gartenarbeit rumschlagen? Die Gangsterjagd reichte doch, meinen Tag auszufüllen. Warum piesackte das Schicksal immer mich?
Motorengeräusche rissen mich aus meiner Selbstmitleidsorgie.
»Ich bin da, Alter!«, hatte Grabowski seinen Schädel aus dem Seitenfenster gesteckt.
Vor dem Haus parkte ein mindestens tausend Jahre alter Ford Taunus, dessen antike Karosserie von Rost zerfressen war. Zumindest schienen aber keine tragenden Teile von der Korrosion betroffen zu sein, sonst hätte Peter es kaum bis nach Buldern geschafft. An der Antenne hing ein Fuchsschwanz, und am Heck prangte ein Aufkleber mit dem Motto >Ich bremse auch für Frauen<.
»Von welchem Schrottplatz hast du denn diese Kiste? Bei einer Beschattung musst du unsichtbar sein. Diese Möhre kennt nach zehn Minuten jeder Köter im Münsterland.«
Peter stieg aus dem Auto und schüttelte kurz die Mähne im Takt zu dem aus dem Autoradio dudelnden musikalischen Meisterwerk Ich bin der König von Mallorca. Der Sänger Jürgen Drews sollte laut Fernsehberichten sogar in Dülmen wohnen, aber bisher war er mir noch nicht über den Weg gelaufen. Musste ja schließlich auch sein Reich auf Malle regieren. Grabowski wirkte wie sein jüngerer Zwilling: Trotz des verhangenen Himmels trug er eine überdimensionierte Sonnenbrille Modell Heino. Sein knallbuntes Hawaiihemd war bis zum Nabel geöffnet, so dass ich freie Sicht auf die wuchernde Brustbehaarung hatte. Die bombastisch aufgeblähte kirschrote Pumphose war vor dreißig Jahren modern gewesen. Ein unregelmäßiger Dreitagebart und fettig glänzende Haare rundeten das Bild ab. Kurzum: Grabowski sah aus wie immer.
»Der Cousin meines Dönerverkäufers hat einen Kumpel, der in Gebrauchtwagen macht. Die Kiste hat mich nur hundert Flöhe gekostet und sogar noch sechs Monate TÜV. Ein schickes Gerät, was? Ich gebe Ahmed die Kohle, wenn...«
Er kam nicht dazu, den Satz zu vollenden, denn aus dem Wageninnern tönte lautes Geschrei.
»Was ist das?«, zweifelte ich an meiner Wahrnehmung.
»Mist.«
Er sprintete ums Auto herum und riss die Beifahrertür auf; ich folgte neugierig. Aus einer Kinderschale krähte uns ein
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