Mein Schwein pfeift
und da wäre das Kind nur hinderlich. Es könnte auch gefährlich werden«, übertrieb ich ein wenig.
»Was?«, entrüstete sich Karin erwartungsgemäß. »Seid ihr denn komplett wahnsinnig? Du bringst das Kind sofort vorbei. Von wem ist es eigentlich? Von Renate kann es ja nicht sein, bei seinem Alter.«
»Nein, Renate hat sich von Peter getrennt. Die Mutter ist irgendeine Sabrina aus seiner Stammspielothek. Wenn du so nett bist, auf das Kind aufzupassen, wäre ich dir sehr dankbar«, streichelte ich ihren Arm.
»Aber nur für kurze Zeit, denn schließlich muss ich auch arbeiten.« Mit einem Mal schien sie zu befürchten, dass sie Kevin nicht mehr loswürde. »Ich komme nachher vorbei und schaue nach dem Winzling. Vorher kaufe ich aber in Dülmen geeignete Babynahrung. Ciao.« Ein Kuss auf den Mund, und weg war sie.
Als ich gerade damit beschäftigt war, die Fressalien ins Regal zurückzustellen, wurde ich schon wieder gestört.
»Nannen, dass ich Sie noch mal treffe.«
Pfarrer Wilpert und seine Haushälterin Brigitte musterten mich grimmig. Böse Zungen behaupteten, die beiden wären so übergewichtig, weil sie täglich das Fritteusenfett der umliegenden Pommesbuden ausschlürften. Böser Dorfklatsch. Ihre grimmigen Blicke waren verständlich: Durch unglückliche Umstände war ich damals kurz nach meiner Ankunft im Münsterland an den Organistenposten für die Bulderner Gemeinde gelangt, hatte mich aber in der letzten Zeit immer öfter vor dieser unangenehmen Verpflichtung gedrückt.
»Haben Sie Nachwuchs? Soweit ich weiß, sind Sie nicht verheiratet«, wurde meine Produktauswahl kritisch beäugt.
»Nicht, dass Sie das etwas anginge, aber es ist für das Kind eines guten Freundes«, knurrte ich zurück.
»Ihnen ist doch wohl klar, dass vorehelicher Geschlechtsverkehr eine schwere Sünde ist? Mein Sohn, ich habe Sie in der letzten Zeit weder beim Gottesdienst noch bei der Beichte gesehen. Mir scheint, als wäre es an der Zeit, Ihre Seele zu erleichtern«, blickte er mich halb mitleidig, halb vorwurfsvoll an.
»Mein Job, Herr Pfarrer. Verbrecher kennen keinen Sonntag«, wollte ich ihn schnell abschütteln.
»Da Sie uns lange Zeit treu gedient haben, berührt mich Ihr Schicksal, mein Sohn«, troff Wilperts Stimme vor Pathos. »Wir haben eine Männergruppe, die sich jeden Mittwoch im Pfarrheim trifft. Da kommen Christen mit ähnlichen Problemen wie den Ihren. Das Thema der nächsten Zusammenkunft lautet: Dürfen Männer Gefühle zeigen? Sie sind herzlich eingeladen.«
»Durchaus interessant, aber ich bin mit meinem Leben zufrieden«, hatte ich keine Lust, wie ein Wal-dorfschüler meinen Namen zu tanzen.
»Schade«, setzte Brigitte mit krächzender Stimme an. »Wir haben bereits drei Sonntagsmessen ohne Begleitung gesungen. Das kann so nicht weitergehen.«
»Ich erwarte Sie am Sonntag Punkt neun«, schob Wilpert hinterher.
»Ich kann nicht. Ein wichtiger Auftrag.«
»Es gibt nichts Wichtigeres als unseren Herrgott«, wurde ich abgekanzelt. »Wenn Sie nicht erscheinen, werde ich in der Predigt Ihren zweifelhaften Lebenswandel anprangern. Also bis morgen.«
Das waren die Momente, in denen ich wirklich verfluchte, aufs Land gezogen zu sein. Man konnte machen, was man wollte; immer lief man jemandem über den Weg, den man am liebsten von hinten sah.
Leider musste ich Wilperts Drohung ernst nehmen. So verkalkt der Priester auch war, in der Dorfgemeinschaft zählte sein Wort, und wenn er wirklich von der Kanzel über mich wettern sollte, konnte ich mir lokale Aufträge abschminken. Folglich führte kein Weg daran vorbei, morgen früh aufzustehen und in die Tasten zu hauen. Tolle Aussichten.
Zu Hause bot sich auch kein Bild, das meine Stimmung aufgehellt hätte. Peter schnarchte selig im Schaukelstuhl, während Sohnemann wie am Spieß schrie. Klar, die volle Buchse war noch immer nicht gewechselt, und Hungergefühle durften sich mittlerweile auch eingestellt haben. Dummerweise hatte ich auch die Windeln wieder ins Regal zurückgestellt, so dass Kevin vor Schumanns Ankunft weder oral noch anal versorgt werden konnte. Ich nahm den Kleinen auf den Arm. Seine runden Augen blickten mich vorwurfsvoll an.
»Beschwer dich bei deinem Papa«, stellte ich sofort klar, wer schuld an der Misere war.
»Schlaf, Kindchen, schlaf, dein Vater ist ein Schaf. Der Dieter schüttelt’s Bäumelein, es fällt herab ein Träumelein, schlaf, Kevin, schlaf.« Mein Gesang, der jedes Musik liebende Ohr beleidigt hätte, beruhigte
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