Mein Schwein pfeift
überraschenderweise das Kind. Doch als ich aufhörte und es zurück aufs Bett legen wollte, fing es sofort wieder an zu quieken. So sang ich weiter, immer dieselbe Strophe, da mein Repertoire an Kinderliedern begrenzt war. Eine halbe Stunde später kam Karin endlich mit zwei vollen Einkaufstüten hereingerauscht.
»Gott sei Dank«, stöhnte ich. »Der Zwerg hat sich gründlich eingeschissen.«
»Dieter«, stellte Schumann die Taschen auf den Boden. »Deine Wortwahl ist nicht angemessen. Der Junge kriegt doch alles mit. Tiere scheißen, Kinder machen ein großes Geschäftchen.«
Die Belehrung konnte ich nach der Singerei gerade gebrauchen.
Karin stürzte sich auf uns und riss mir den Zwerg aus den Armen: »Kutschikutschikutschi, du bist ja ein Süßer. Hat Kevin Aa gemacht?«, zwickte sie schelmisch grinsend die kleine Knollennase. Ich hatte nie verstanden, warum Erwachsene beim Anblick eines Kindes sofort in debiles Kauderwelsch verfallen mussten. Ein Wunder, dass sich die meisten dennoch zu passablen Menschen entwickelten.
»Wir bringen ihn ins Badezimmer und machen ihn sauber«, ordnete Karin an.
Netterweise durfte ich die Hose öffnen und die Windel ausziehen. Der bestialische Gestank, verbunden mit dem Anblick von drei Kilo Kinderkacke, ließ sofort Übelkeit in mir aufsteigen. Ich befreite Kevin vom Gros der dunkelbraunen Ausscheidungen und reichte ihn an Karin weiter, die ihn in der Badewanne abduschte.
»Ist Kevi jetzt saubisaubi?«, knuddelte Schumann nach vollbrachter Reinigung ihren neuen Liebling. Wer war hier eigentlich das Kleinkind? Zu allem Übel gesellte sich auch noch Grabowski zu uns.
»Lieb, dass ihr euch um den kleinen Terroristen kümmert. Ihr seid wahre Freunde.«
Sowohl Karin als auch ich blickten ihn an, kurz davor, ihn mit der mit Biokampfstoffen angereicherten Pampers zu erschlagen.
»Es ist deine Aufgabe, dich um den Jungen zu kümmern, nicht unsere«, fand Schumann als Erste die Sprache wieder.
Offenbar konnte Kevin die Kritik an seinem Rabenvater nicht vertragen, denn sofort fing er zu heulen an.
Ich startete wieder meinen Song, und Karin begann, »kutschikutschi, Baby« wie eine Voodoobeschwörungs-formel zu murmeln, aber ohne Erfolg. Plötzlich gab Gurkennase einen fetten Rülpser von sich, und augenblicklich war Ruhe im Karton. Kevin blickte aus der Wanne hoch und sonderte ein Bäuerchen ab, das die Zahnputzbecher wackeln ließ. Wie der Vater, so der Sohn.
Ich verdrückte mich in die Küche und spülte Geschirr, während Peter und Karin den Strampelmann in Stoffwindeln packten. Aus dem Badezimmer vernahm ich wilde Flüche — Grabowski — und harsche Zurechtweisungen — Schumann. Nach zehn Minuten war das Projekt >Windelwechsel< erfolgreich beendet.
Ais Gurkennase junior friedlich brabbelnd auf der Luftmatratze lag, gab ich seinem Dad Monas Adresse und Beschreibung. Er sollte sich so lange an ihre Fersen heften, bis die Identität des Lovers geklärt war. Nachdem er sich übertrieben liebevoll von Kevin verabschiedet hatte, zog er endlich ab.
Ich drückte Karin einen Schmatzer auf die Wange und machte mich in Erwartung eines grandiosen Samstagabends auf den Weg nach Dülmen.
5
D u bist der Neue?« Knapp eineinhalb Dutzend Augenpaare blickten mich interessiert an.
»So ist es. Dieter Nannen.«
Alle waren bereits umgezogen, was angesichts der Zeit, zwei Minuten vor acht, nicht überraschend war.
»Wo sind meine Klamotten, Jungs?«
Ein bulliger Kerl, der sich als Heiner Vossen vorstellte, deutete auf einen Spind: »Dort müsste ein passendes Trikot für dich dabei sein. Du hast die freie Auswahl. Wir sehen uns gleich auf dem Platz.«
Wie auf Kommando erhoben sich alle und trippelten aus der Umkleidekabine. Ich suchte mir in aller Ruhe ein Dress und passende Treter aus und schlurfte gemütlich aufs Feld.
Das Training verlief ohne größere Probleme. Dank meiner fußballerischen Vergangenheit verfügte ich noch immer über eine gute Technik und ließ beim abschließenden Übungsspiel des Öfteren die gegnerischen Abwehrspieler wie Fahnenstangen stehen. Erhebliche Schwierigkeiten hatte ich jedoch beim Konditionstraining, bei dem sogar der Torwart besser abschnitt. Ich konnte von Glück sagen, dass mein Auftraggeber nicht Präsident einer Triathlonmannschaft war.
Wir standen unter der Dusche und ließen das Wasser auf uns niederprasseln. Mein Nebenmann, der auf den Namen Gregor Pütz hörte, feixte mich an: »Du trickst zwar manchmal wie ein Brasilianer, schnaufst
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