Mein Schwein pfeift
mehr Glück als Verstand. Dann hast du was mit Karin Schumann laufen, der allseits beliebten Biolandwirtin. Die hat hier noch keiner geknackt. Respekt«, leerte er den Korn und hob das Pinnchen, um Nachschub zu ordern.
»Du bist Organist in Buldern, hast aber bereits zig Einsätze verschlafen. Ursprünglich stammst du aus Essen und warst mit Bettina Klimke verlobt. Irgendwann hat sie dich auf die Straße gesetzt, und du bist ins beschauliche Buldern gezogen.«
Woher wusste der Kerl so viel über mich?
»Was habe ich gestern Mittag gegessen?«
»Keine Ahnung. Irrelevante Information. Ich bin übrigens Jupp Schrage, Starreporter vom Dülmener Kurier«, reichte er mir die Hand. »Es ist mein Job, alles Wissenswerte über die Dülmener Prominenz auszugraben und abzuspeichern.«
»Und ich gehöre zur Prominenz?«, fühlte ich mich geschmeichelt.
»Klar, Mann. So viele bekannte Personen gibt es in diesem Kaff auch wieder nicht. Da gehörst du zu den Top Twenty, würde ich sagen.«
»Und wann kann ich mit der glorreichen Story über den berühmten Privatdetektiv rechnen?«
»Fehlanzeige. Im Moment bin ich an dir dran, weil du für den FC spielst. Neben dir sitzt sozusagen der Hofberichterstatter dieses glorreichen Vereins. Des FC Bayern der Westfalenliga. Nicht dass mich diese Aufgabe besonders reizt«, blickte er frustriert ins Glas, »aber Onkel Fritz hat mich dazu verdonnert.«
»Du bist mit Schlemmbach verwandt?«
»Jau, der Bruder meiner Mutter. Da er mir die Stelle beim Kurier verschafft hat, stehe ich in seiner Schuld. Ich hasse diesen Klüngel, aber ohne seine Hilfe wäre ich nie an einen Job gekommen. Magisterprüfung mit eins Komma null in allen Fächern und dann nur Absagen. Lediglich ein Praktikum bei der Desiree ist rausgesprungen. Ich war dort die legendäre Kummerkastentante Dr. Josephine.« Mit traurigem Gesichtsausdruck kippte er den zweiten Korn und ließ sich abermals nachschenken. Das Bier rührte er nicht an.
»Bin dann von Köln hierhergezogen. Wir sind sozusagen beide Exilanten, in geistiger Nachfolge Willy Brandts. Mittlerweile habe ich mich damit arrangiert, über Bauernolympiaden und Kaninchenzuchtwettbewerbe zu schreiben. Oder über Fußball«, fuhr er fort. »Ich soll übrigens ein Interview mit dir machen, Order vom Präsi. Hast du Lust und Zeit? Du hast sowieso keine Wahl.«
Das passte mir gut in den Kram. Zum einen mochte ich den Kerl, denn irgendwie waren wir in einer ähnlichen Situation. Zum anderen schien er über ein enzyklopädisches Wissen zu verfügen, speziell über die lokale Prominenz. Wenn mir einer Insiderinfos beschaffen konnte, dann Jupp.
»Gebongt, wie wär’s mit morgen?«
Er trank sein Bier in einem Zug aus und wies Charly an, alles auf seinen Deckel zu schreiben.
»Zwanzig Uhr, bei mir in der Redaktion. Ist zwar Sonntag, aber tagsüber heiratet die hässliche Tochter von Bauer Kuhlmann den noch hässlicheren Sohn von Bauer Engbert. Ich muss da ein paar Fotos schießen und die agrarökonomischen Konsequenzen einer Zusammenlegung beider Höfe mit dem jungen Glück diskutieren. Weltpolitik«, seufzte Jupp. »Anschließend muss ich dann alles zu Papier bringen; somit bin ich sowieso im Büro. Also morgen um acht.«
»Jungs!« Alle blickten auf ihn.
»Der Herr geht wieder Wasser in Wein verwandeln. Gewinnt euer nächstes Spiel, und bleibt sauber.«
Das Gejohle der Menge folgte ihm.
Nach Jupps Abgang blieb für diesen Abend nur noch Ulrike als Informationsquelle übrig, die ihren Freund bereits nach Hause geschickt hatte.
Wir hatten als Letzte die Kneipe verlassen, obwohl es erst halb eins war. Das bevorstehende Spiel schien für meine Mannschaftskameraden eine große Bedeutung zu haben, denn in puncto Alkohol hatten sich die Kicker zurückgehalten.
»Lebst du mit Robert zusammen?«, sondierte ich die Lage.
»Wer ist Robert?«, grinste sie.
»Wir könnten den netten Abend zu dir verlagern. Wo wohnst du?«
»Nur drei Straßen weiter.«
»Was stehen wir dann hier noch rum?«
»Das frage ich mich auch schon die ganze Zeit.«
Mit diesen Worten packte sie mich am Arm und zerrte mich hinter sich her.
»Die nächste Straße links, aber nicht so schnell«, ächzte ich ob der zusätzlichen Konditionseinheit.
Ulrike logierte in einem schäbigen Mehrfamilienhaus. Im Flur informierte uns ein Zettel, dass das Entsorgen von Leergut und Müll im Treppenhaus strikt untersagt sei.
Das Quartier war mit Angehörigen der Ikea-Family bevölkert: Billy, Expedit, Värde
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