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Mein Schwein pfeift

Mein Schwein pfeift

Titel: Mein Schwein pfeift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Springenberg/Michael Bresser
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oder wie die schwedischen Einrichtungsgegenstände sonst so heißen mochten. Im Wohnzimmer hing ein mindestens zwei Quadratmeter großes Plakat — Motiv untergehende Sonne — , bei dem der Kitsch aus jeder Pore quoll.
    »Hast du ein Bier?«, pflanzte ich mich aufs Sofa.
    »Einen Moment«, strahlte sie und verschwand im Nachbarzimmer. Gelegenheit für mich, die Einrichtung zu studieren: Im Bücherschrank stapelten sich Tonnen von Liebesromanen: Julia, Ramona, Celina, ein erlesener Geschmack. Ich würde meine Fragen stellen, dann Abflug in heimische Gefilde.
    Es dauerte gut zehn Minuten, bis sich die Tür wieder öffnete. Das sich mir bietende Bild würde ich mein Leben lang nicht vergessen: Ulrike hatte sich ihrer Kleidung entledigt, aber nicht komplett: Statt Landhausoutfit trug sie rote Strapse und ein Korsett, aus dem die Brüste herausragten wie mittelalterliche Waffen. Die blonden Haare waren als Dutt nach oben gesteckt.
    »Zieh dich aus, du nichtsnutziger Sklave«, herrschte sie mich an. Hatte ich eigentlich schon die Peitsche erwähnt, die sie mir vor die Brust stieß?
    »Uno momento«, konnte ich meine Verblüffung schlecht verbergen, »hast mich gerade auf dem falschen Fuß erwischt.«
    »Ja, so ist es recht«, säuselte Ulrike mit der Intensität eines Zahnarztbohrers. »Winsel nur, ich werde dir die Flötentöne schon beibringen. Als ich dich gesehen habe, wusste ich, dass du auf Frauen stehst, die dich lehren, was Mama versäumt hat.«
    »Können wir den Abend nicht etwas langsamer angehen lassen?«, hatte ich bei der Geschwindigkeit noch stark übertrieben.
    »Quatsch nicht blöd rum. Oder bist du auch so ein Weichei wie Robert? Knie nieder, und leck den Fußboden, du Dreckskerl«, umklammerte sie von hinten meinen Hals. Wo war ich da nur hineingeraten?
    »Sorry, ich stehe nicht auf diesen Kram«, würgte ich wahre Worte gelassen heraus.
    »Ach, du brauchst bestimmt Musik.«
    Sie ließ von mir ab und schritt Peitschen knallend zur Stereoanlage. Doch anstatt abzuhauen, war ich wie zur Salzsäule erstarrt.

    Komm mit,
    komm mit mir ins Abenteuerland,
    auf deine eigne Reise.
    Komm mit mir ins Abenteuerland,
    der Eintritt kostet den Verstand.
    Komm mit mir ins Abenteuerland,
    und tus auf deine Weise.
    Deine Phantasie schenkt dir ein Land,
    das Abenteuerland.

    Pur mit Abenteuerland. Jetzt folgte der physischen auch noch die akustische Folter. Der Vorteil an Hartmut Engler und seinen Mannen war aber, dass bei mir der sofortige Fluchtreflex einsetzte.
    »Hiergeblieben!«, brüllte Ulrike mir hinterher.
    Ich rief noch irgendwas Idiotisches wie »muss noch die Tiere füttern, schönen Abend noch«, dann war ich auch schon im Treppenhaus.
    Was hatte ich im vorherigen Leben verbrochen, um immer an solche Irren zu geraten? Sollte vielleicht mal einen Reinkarnationstherapeuten aufsuchen.
    Zu Hause beruhigte ich mich mit einem Pils und taperte dann im Dunkeln in Richtung Bett, um Kevin nicht aufzuwecken. Noch bevor ich die Matratze berührte, war ich eingeschlafen.

6

    D er Wecker riss mich aus einem Alptraum: Ich hatte bei einem Preisausschreiben eine Backstage-Karte für das Pur-Konzert in der Gelsenkirchener Veltins-Arena gewonnen und durfte den musikalischen Vortrag von der Bühne aus verfolgen. Dann der Schocker: Als Hartmut in der Mitte des siebenstündigen Auftritts plötzlich die Stimme versagte, musste ich seinen Part übernehmen. Spätestens da hätte mir auffallen müssen, dass es sich nur um einen Traum handelte, denn ich kannte alle Texte in- und auswendig. Doch damit nicht genug, wurde ich von den weiblichen Fans — und es waren ausschließlich weibliche Fans — mit Plüschbärchen, Zahnspangen und Baumwollslips totgeschmissen.
    Als ein durchaus potthässliches Mädel zu mir auf die Bühne kletterte, schrillte die Sirene. Manchmal liebte ich meinen Wecker.
    Oh, bereits kurz nach neun. Ich beendete das Summen mit einem gezielten Hieb auf den Ausschaltknopf, sprang aus dem Bett und kleidete mich an. In drei Minuten war ich am Auto, nach weiteren zehn am Bulderner Dom.
    Vor der Kirche hatte sich das komplette Dorf eingefunden, um den neuesten Klatsch auszutauschen.
    Besonders freute ich mich, Stefan Jahnknecht zu treffen, da ich ihn seit längerer Zeit nicht gesehen hatte. Der geistig zurückgebliebene Junge arbeitete als Stallbursche bei einem hiesigen Bauern und war damals meine erste Bekanntschaft auf dem Lande gewesen.
    »Stefan, wie läuft’s, alles im grünen Bereich?«, fragte ich jovial.
    Der

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