Mein Schwein pfeift
Angesprochene umschlang mich mit seinen Riesenpranken und drückte mich, dass mir die Luft wegblieb: »Mich geht es gut. Du Lust, mit Stefan zu angeln?«, konnte er seine Freude nicht verhehlen.
»Können wir machen. Momentan habe ich viel Arbeit, aber wenn das Wetter schön bleibt, werde ich einen Nachmittag freischaufeln.«
Nach diesem erfüllenden Gespräch trottete ich in die Sakristei, wo Wilpert gerade seinen Talar anzog.
»Ich wusste, dass Sie kommen würden. Hier!«, drückte er mir einen Zettel mit unleserlich geschriebenen Nummern in die Hand.
»Zuerst die Moneten«, erinnerte ich ihn. Nach endlosen Diskussionen hatte er sich breitschlagen lassen, mir pro Gottesdienst zehn Euro zu zahlen. Leider litt er unter Amnesie und kam jedes Mal mit dem Spruch, die Ehre, Gott zu preisen, müsse Lohn genug sein.
Auf dem schrecklich verstimmten Gerät, das den Namen Orgel nicht im Entferntesten verdiente, eröffnete ich die Messe mit einem einfachen Pachelbel-Kanon. Die Menge raunzte beeindruckt. Besser schräge als keine Musik. Anschließend wurde »Großer Gott wir loben dich« dreimal gesungen, was die Gemeinde gewohnt war. In der Predigt zog Wilpert kräftig vom Leder. Thema war das Ehebruchsgebot sowie vor-, außer- und nachehelicher Geschlechtsverkehr. Ich hatte den Eindruck, dass ich der einzige Adressat seiner Worte war, denn er wies auf die besondere Gefährdung von Detektiven hin. Den Rest des Gottesdienstes brachte ich ohne weitere Verfehlungen gegen die Zehn Gebote hinter mich.
Um elf war ich wieder zu Hause. Grabowski war noch nicht zurück, und Karin schlummerte selig mit Kevin im Arm. Da sie vermutlich die ganze Nacht kein Auge zugetan hatte, ließ ich sie schlafen.
Frühstück für mich und meine Tiere war angesagt, bevor ich mich wieder hinters Steuer klemmte und gen Havixbeck aufbrach. Es waren zwar noch drei Stunden bis zum Anpfiff, aber ich wollte dort einen Freund besuchen, der früher im gleichen Essener Unternehmen gearbeitet hatte. Er war nicht zu Hause. Die ungewollt freie Zeit schlug ich in einer Pommesbude am Spielautomaten tot. Mir gelang es, mit fünf Euro auszukommen.
Pünktlich eine Stunde vor Spielbeginn erreichte ich das Havixbecker Stadion, wo Andy Bork und Heiner Vossen am Eingang standen und ihre Lungen mit Qualm vollpumpten. Ich marschierte hinüber und steckte mir ebenfalls eine Zigarette an.
»Na, auch den Mannschaftsbus verpasst?«, nickte Vossen in meine Richtung.
»Ist mir neu, dass wir mit einem Bus zum Spiel gekarrt werden.«
»Wir sind ein hochprofessioneller Verein, der vom Organisatorischen her locker mit der Bundesliga mithalten kann. Leider hinkt das spielerische Vermögen noch hinterher«, blinzelte Andy mich an.
»Wird noch, wird noch«, entgegnete ich, obwohl meine Mimik das Gegenteil aussagte.
Wie auf Kommando warfen meine Mitspieler plötzlich die Zigaretten auf den Boden und zermalmten sie mit ihren Absätzen.
»Weg mit der Fluppe.«
»Wieso?«
Simultan zeigten beide hinter meinen Rücken. Ich drehte mich um und sah den Dülmener Kickerexpress heranrauschen. Ich nahm einen letzten Zug und ließ die Zigarette fallen.
Als Erstes stieg der Trainer aus und trampelte wutschnaubend auf uns zu.
»Die Moneten für euer müdes Gekicke wollt ihr pünktlich bekommen, aber schafft es noch nicht mal, rechtzeitig am Treffpunkt zu sein. Tja, dann könnt ihr eure Bräute wohl ein paarmal weniger ins Kino einladen, um an ihnen herumzufummeln. Andy und Heini, von euch kriege ich zwanzig Euro, von Dieter vierzig.«
»Was ist los?«, blickte ich den Trainer entgeistert an.
»Zwanzig für das Verpassen des Busses und zwanzig für das Rauchen eine Stunde vor dem Spiel«, klärte Andy mich auf.
»Ihr habt doch nicht alle Latten auf dem Zaun. Davon steht nichts in meinem Vertrag«, mimte ich den Mario Basler der Freizeitkicker.
»Dieter, du bist ein talentierter Spieler. Spielübersicht Bundesliga, Technik Regionalliga. Allerdings fehlt dir jegliche Disziplin. Deine Lunge gleicht einem porösen Blasebalg, mit dem du nicht einmal einen Säugling beatmen könntest. Wäre die Saison nicht bald gelaufen, würde ich dir ein massives Fitnessprogramm aufs Auge drücken. So bleibt mir nur die Hoffnung, dass du nicht auf dem Platz kollabiert«, stauchte er mich zusammen. So unrecht hatte er mit seiner Standpauke nicht, dachte ich schuldbewusst.
Meine Kameraden zückten die Geldbörsen und drückten Wiemers den geforderten Betrag in die Hand. Ich schulterte meine Sporttasche
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