Mein Schwein pfeift
unterrichtet bin, ist Detektiv nicht mal ein Lehrberuf. Klappt es nicht, kommt der Junge nirgendwo anders unter.« Dabei bearbeitete er ein Stück Rind, als hätte das Tier auf den Grill gepinkelt.
»Gerd, reichst du mir bitte die Kartoffeln?«
»Schatz, wollten wir nicht auf deine Linie achten?« Gerds stahlharter Blick, gepaart mit seiner piepsigen Stimme, war schon gewöhnungsbedürftig.
»Du hast recht. Eigentlich habe ich auch keinen Appetit mehr«, seufzte die Gemaßregelte.
»Es ist doch nur ein zweiwöchiges Berufspraktikum«, drängte ich mich dazwischen, »und ich verspreche hoch und heilig: Ich werde Paul klarmachen, dass der Detektivberuf kein Zuckerschlecken ist.«
»So?« Auf einmal schien ich Gerds Sympathie gewonnen zu haben. »Das gefällt mir. Sie lassen ihn sozusagen Scheiße schippen?«
»Sogar im wörtlichen Sinne«, legte ich ein Brikett nach, solange die Glut schwelte.
Das Ehepaar schaute sich tief in die Augen und lächelte verschwörerisch.
»Unseren Segen haben Sie. Je unangenehmer die Arbeit, desto besser. Das wird ihm die Flausen austreiben. Wir werden natürlich weiterhin so tun, als ob wir sein Lügengebäude nicht durchschauen.«
»Noch Nachtisch? Es gibt Vanilleeis mit heißen Kirschen«, hielt Gertrud mir einen Dessertteller hin.
»Danke, ich bin pappsatt. Es hat phantastisch geschmeckt«, ließ ich noch ein ehrliches Lob vom Stapel, bevor ich den Besuch für beendet erklärte.
Auf zum Dirty Fingers.
16
W enn Dülmen auch sonst dem verwöhnten Großstadtbewohner nicht viel bieten konnte, so gab es doch einige Kneipen. Meist handelte es sich dabei allerdings um Lokale, wo der rüstige Senior nach einem anstrengenden Tag seinen Früh-, Mittagsund Abendschoppen hielt. Aber es ging auch anders: Das Dirty Fingers peilte Jugendliche und jung gebliebene Erwachsene als Zielgruppe an. Als Smells like teen spirit aus den Boxen dröhnte, fühlte ich mich wie zu Hause.
Ich setzte mich an den Tresen, orderte ein Pils und studierte die Gäste. Drei Tische waren von adoleszenten Liebespärchen besetzt, die sich über Weingläser hinweg schmachtende Blicke zuwarfen. Aber auch der ältere Jahrgang war vertreten: Ein halbes Dutzend Männer mit imposanten Bierbäuchen frönte dem Billardsport. Jetzt entdeckte ich Jupp. Der langhaarige Hippie mit schwarzer Lederhose und T-Shirt — vorne stand »Abi 2000«, hinten »Für immer ein Traum« — warf Pfeile auf ein elektronisches Dartboard und fluchte nach jedem misslungenen Wurf wie ein Bierkutscher. An der Theke saß die übliche Mischung aus Feierabendalkoholikern und Leuten, die in dem Bemühen, die Zeit totzuschlagen, das Gespräch mit dem Wirt suchten. Eine Tafel neben der Eingangstür pries Spareribs als Tagesspezialität an. Johnny Cashs herzzerreißende Version von U 2 s One löste Nirvana ab, kurz darauf entdeckte Jupp mich und trottete zu mir herüber.
»Alles klar, Kollege. Ich bin warm. Hast du Lust, gegen den Münsterländer Meister anzutreten?« Der Hippie hatte sich breit grinsend auf den Nachbarhocker gepflanzt.
Schrage wandte sich zum Wirt. »Hast du noch drei Pfeile, Egon? Mein Freund und ich wollen für die Dart-weltmeisterschaft trainieren. Und zapf gleich zwei neue Gerstenkaltschalen. Sport macht durstig.«
Der Journalist hüpfte vom Hocker und schlurfte zum Automaten zurück. Ich nahm Pfeile und Getränke entgegen und folgte ihm.
»501 zum Warmwerden?«
»Nichts dagegen. Wie lief’s mit meiner Sippe?«
»Optimal«, lachte ich und erzählte die ganze Story.
»Klasse. Aber nimm den Jungen nicht zu hart ran. Paul ist mein Lieblingscousin und der einzige halbwegs Normale in der gesamten Mischpoke«, ließ er meinen ambitionierten Ausbildungsplan schon wieder ins Wanken geraten.
»Genug gelabert. Los geht’s!«
Schrage war gut, aber ich war besser. Vor einigen Monaten hatte ich mir ein Dartbrett zugelegt und im Stall aufgehängt. Nachdem ich mich an die Kneipenpfeile gewöhnt hatte, die aufgrund der Plastikspitzen wesentlich leichter als meine eigenen waren, geriet Jupp mächtig ins Schwitzen. Nach zwei Runden 501 stiegen wir auf Cricket um, der interessantesten Variante des Dartspiels. Schrage steigerte sich, und es wurde eine spannende Auseinandersetzung, die ich knapp zu meinen Gunsten entscheiden konnte.
»Du bist gut, das muss man dir lassen«, erkannte er meine Leistung neidlos an.
Wir hatten uns an einem Ecktisch niedergelassen, und ich prostete ihm zu: »Hast du was über den Tod der Küppers
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