Mein Sommer nebenan (German Edition)
nichts mehr schiefgehen kann.«
»Ich würde nur für die Bodenmannschaft von der NASA arbeiten. Nicht im Shuttle. Ich will niemals sterben.«
Mich überkommt das Bedürfnis, ihn in den Arm zu nehmen. »Ich auch nicht, George.«
»Heiratest du Jase bald?«
Ich bekomme wieder einen Hustenanfall. »Äh, nein, George. Ich bin aber auch erst siebzehn.« Als wäre das der einzige Grund, warum wir nicht schon längst verlobt sind.
»Ich bin so alt.« George hält vier filzstiftverschmierte Finger hoch. »Aber Jase ist siebzehneinhalb. Ihr dürftet heiraten. Dann könntest du hier mit ihm wohnen und hättest eine große Familie.«
Mitten in dieses Angebot hinein kehrt Jase ins Zimmer zurück. »Zeit für dich, die Fliege zu machen, George. Discovery Channel läuft.«
George setzt zum Rückzug an, aber nicht, ohne mir vorher noch zuzurufen: »Sein Bett ist total gemütlich. Und er pinkelt nie rein.«
Die Tür geht zu und wir fangen beide an zu lachen.
»Oh Jesus!« Jase – mittlerweile trägt er ein grünes T-Shirt und dunkelblaue Joggingshorts – setzt sich auf sein Bett. Seine Haare sind noch lockiger, wenn sie nass sind, und von den Spitzen perlen kleine Wassertröpfchen.
»Ist schon okay. Ich habe mich in ihn verliebt«, gestehe ich. »Ich glaube, ich werde ihn wirklich heiraten.«
»Das würde ich mir an deiner Stelle noch mal überlegen. Oder zumindest seine Gutenachtgeschichten sehr sorgfältig auswählen.« Er lächelt mich an.
Ich muss aus diesem Zimmer raus. Und zwar schleunigst. Als ich aufstehe und zur Tür gehe, fällt mein Blick auf das Foto eines Mädchens, das am Spiegel über dem Schreibtisch klebt. Ich bleibe stehen, um es mir genauer anzusehen. Sie hat wellige schwarze Haare, die zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden sind, und einen ernsten Ausdruck in den Augen. Außerdem ist sie ziemlich hübsch. »Wer ist das?«
»Meine Exfreundin. Lindy. Sie hat den Fotoaufkleber in der Mall gemacht und jetzt kriege ich ihn nicht mehr ab.«
»Wieso seid ihr nicht mehr zusammen?«
Wieso frage ich das überhaupt?
»Es hat sich als ziemlich riskant herausgestellt, mit ihr zusammen zu sein«, antwortet Jase. »Aber jetzt, wo du es sagst, fällt mir ein – ich könnte einfach einen anderen Sticker drüber kleben.«
»Könntest du.« Ich beuge mich näher an den Spiegel heran und bewundere ihre ebenmäßigen Züge. »Was meinst du mit riskant ?«
»Sie hat irgendwann angefangen zu klauen. Regelmäßig. Und wenn wir verabredet waren, wollte sie immer nur in die Mall gehen. Schwierig, da nicht wie ein Komplize auszusehen. Im Gefängnis zu hocken und darauf zu warten, dass man auf Kaution rausgeholt wird, ist nicht gerade das, was ich mir unter einem netten Abend mit meiner Freundin vorstelle.«
»Meine Schwester hat auch eine Zeit lang geklaut«, sage ich, als wäre das irgendwas Tolles, das wir gemeinsam haben.
»Hat sie auch mal was mitgehen lassen, als du dabei warst?«
»Nein, zum Glück nicht. Ich würde sterben, wenn mir so was passieren würde.«
Jase sieht mich an, als hätte ich gerade etwas sehr Tiefgründiges gesagt. Dann schüttelt er den Kopf. »Nein, Samantha. Du würdest nicht sterben. Du hättest einfach ein Problem, würdest schauen, dass du da irgendwie wieder rauskommst, und dann weitermachen.«
Er steht dicht hinter mir. Viel zu dicht. Er duftet nach Pfefferminzshampoo und frisch geduschter Haut. Aber ich habe den Verdacht, dass es ganz egal ist, wie viel Abstand zwischen uns ist – es wäre immer gefährlich nahe .
»Apropos weitermachen … ähm … Ich muss dann mal wieder nach Hause. Aufräumen, bevor meine Mutter wiederkommt und so.«
»Bist du sicher?«
Ich nicke hektisch. Als wir ein paar Minuten später durch die Küche gehen, klappt die Fliegengittertür auf und Mr Garrett kommt herein, gefolgt von einem Jungen. Er ist aber größer als George. Duff? Harry?
Wie alle anderen aus der Familie, habe ich bis jetzt auch Jase’ Vater immer nur von Weitem gesehen. Aus der Nähe betrachtet, sieht er jünger aus, größer, und er hat eine so positive Ausstrahlung, dass es sofort ein bisschen wärmer im Raum wird, nur weil er da ist. Er hat die gleichen hellbraunen Haare wie Jase, nur dass seine von silbernen Strähnen durchzogen sind, statt von goldenen. George läuft zu seinem Vater und klammert sich an seinem Bein fest. Mrs Garrett, die am Spülbecken steht, dreht sich um und lächelt ihn an. Auf ihr Gesicht tritt ein Leuchten, wie ich es sonst nur bei Mädchen in der
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