Mein Sommer nebenan (German Edition)
sagt Jase. »Frag Brad.«
Ich glaube, es ist gut, dass wir ständig gestört werden. Weil ich nämlich gerade alles andere als ruhig bin, sondern total aufgewühlt von dem, was passiert ist, als sich unsere nackte Haut berührt hat. Dazu kommt das immer stärker werdende Gefühl, dass sich das, was zwischen uns geschieht, komplett meiner Kontrolle entzieht. Dass anstelle der scheuen Neugierde jetzt plötzlich ein brennendes Verlangen steht, dem ich hilflos ausgeliefert bin und das ich nicht steuern kann. Wie viel Erfahrung hat Jase? Er küsst unglaublich gut; andererseits ist er in allem, was er tut, unglaublich gut, das ist also kein Maßstab. Die einzige Freundin, von der ich weiß, ist Lindy, die Ladendiebin, und die war bekanntermaßen nicht der Typ Mädchen, der zögert, sich zu nehmen, was sie will.
Als Mrs Garrett hochkommt und fragt, ob ich zum Abendessen bleiben möchte, bedanke ich mich für die Einladung, lehne aber ab. Zum ersten Mal erscheint mir unser stilles, leeres Haus mit den in Frischhaltedosen verpackten Essensresten wie ein Zufluchtsort vor der feuchtwarmen, mit stummen Erwartungen aufgeladenen Atmosphäre in Jase’ Zimmer.
Zwanzigstes Kapitel
D ann hätten wir da noch das Spanferkel-Barbecue im Senio renheim und den Gemeindebasar von St. Damien und St. Michael. Du musst dich bei all diesen Veranstaltungen blicken lassen, Gracie.«
Clay sitzt mit gezücktem Leuchtmarker über der Lokalzeitung. Mom trinkt ihre dritte Tasse Kaffee an diesem Morgen.
»Gemeindebasar?«, sagt sie müde. »Auf so was bin ich noch nie gewesen. Muss ich da wirklich hin?«
»Das ist auch das erste Mal, dass du einen ernst zu nehmenden Herausforderer hast, Darling, und ja, du musst da hin. Schau mal hier – in Bay Crest wird in einem alten Güterwaggon ein Diner eröffnet. Da solltest du ebenfalls hin.«
Mom nippt an ihrem Kaffee und sinkt dann wieder aufs Sofa zurück. Ihre sonst so akkurat liegenden platinblonden Haare haben sich aus ihrem Nackenknoten gelöst.
Clay markiert noch ein paar weitere Artikel und sieht dann auf. »Du bist ausgepowert«, sagt er zu Mom. »Ich weiß. Aber du hast alles, was es braucht, Gracie, und jetzt musst du das Nötige tun, um zu bekommen, was du willst.«
Mom richtet sich auf, als wäre Clay ein Puppenspieler und sie eine Marionette, an deren Fäden er gezogen hat. Sie steht auf, geht zu ihm rüber, setzt sich neben ihn und streicht sich eine Haarsträhne hinters Ohr, während sie an ihn geschmiegt die Zeitung studiert.
Dass sie Clay gegenüber so fügsam ist, macht mich nervös. Ist sie mit Dad auch so gewesen? Bei Tracy und Flip habe ich das Gefühl, dass sie einander ebenbürtig und gleichberechtigt sind, aber Mom kommt mir manchmal vor, als stünde sie unter einem Bann. Ich denke an die Situation in Jase’ Zimmer zurück. Es ist nicht so, als könnte ich nicht verstehen, dass Mom sich von Clay angezogen fühlt, aber … die Schauer, die mir über den Rücken rieseln, wenn ich mit Jase zusammen bin, haben nicht das Geringste mit der unbehaglichen Gänsehaut zu tun, die ich bekomme, als ich jetzt sehe, wie Clay und Mom ihre blonden Köpfe enger zusammenstecken.
»Wolltest du etwas sagen, Sweetheart?«, fragt Clay, der mein Zögern offensichtlich bemerkt hat.
Ich setze zu einer Antwort an, überlege es mir dann aber anders. Vielleicht hat Tracy recht und ich bin es einfach nicht gewöhnt, dass Mom »einen Mann hat«. Vielleicht habe ich trotz allem, was passiert ist, das instinktive Bedürfnis, meinen abwesenden Vater zu verteidigen. Vielleicht spielen auch einfach nur meine Hormone verrückt. Ich werfe einen Blick auf die Uhr – noch anderthalb Stunden bis zu meiner Schicht im B&T. Ich stelle mir den kühlen Pool vor, die Sonne, die auf seiner Oberfläche glitzert, die Ruhe unter Wasser, nur durchbrochen von meinen gleichmäßigen Schwimmzügen. Und dann schnappe ich mir meine Tasche und gehe.
»Sailor Moon! Du kommst im Fernsehen!« Harry saust auf mich zu, als ich durch die Küchentür trete. »Wir haben gerade Die Geheimnisse der Säugetiere geschaut und plötzlich kam was über dich! Komm schnell gucken!«
Im Wohnzimmer sitzen George, Duff und Andy wie hypnotisiert vor dem Fernseher, wo einer von Moms Wahlkampfspots läuft. Gerade wird eine Nahaufnahme ihres Gesichts vor dem Capitol in Washington gezeigt. »Als Frauen und Mütter wissen wir, dass die Familie an erster Stelle steht«, sagt sie, während Fotos von Tracy und mir eingeblendet werden – wir beide in
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