Mein Sommer nebenan (German Edition)
rücklings auf die Theke und sieht mich an. »Keine Sorge. Dem geht’s gut. Lass uns lieber über etwas Wichtigeres reden. Jedenfalls finde ich es – anscheinend ganz im Gegensatz zu dir – wichtig. Warum, Samantha?«
»Was meinst du …?«
Nan wird unter ihren Sommersprossen blass. Sie ist wütend auf mich ? Warum? Und dann begreife ich. Ich senke den Blick und spüre, wie mir die Röte ins Gesicht steigt.
»Wann wolltest du mir denn erzählen, dass du einen Freund hast? Einen Freund, der zu allem Überfluss auch noch unfassbar hübsch und süß ist? Samantha, ich bin deine beste Freundin. Du weißt alles über mich und Daniel. Alles. «
Mein Magen krampft sich nervös zusammen. Ich habe Nan tatsächlich nichts von Jase erzählt. Kein einziges Wort. Warum nicht? Ich schließe die Augen und spüre für eine Sekunde seine Arme, die mich an sich drücken. Es fühlt sich so gut an. Warum habe ich Nan nichts davon erzählt? Sie knüllt eine Schürze zusammen, auf der »Kombüsenchef« steht, und legt sie dann achtlos auf den Stapel mit den anderen.
»Du bist meine beste Freundin. Und du kennst diesen Typen offensichtlich nicht erst seit gestern. Was ist da los?«
»Ich … das mit uns geht erst seit einem Monat. Oder nicht mal so lange.« Ich beiße mir auf die Unterlippe. »Ich … wollte einfach nicht, dass … Mom redet immer so schlecht über die Garretts … und da hab ich mir irgendwie angewöhnt, die Sache für mich zu behalten.«
»Deine Mom lässt an niemandem ein gutes Haar. Das hat dich nicht davon abgehalten, mir von Charly und Michael zu erzählen. Was ist diesmal anders? Warte mal … die Garretts ? Du meinst, die Familie von nebenan, die sich wie die Kaninchen vermehrt?« Als ich nicke, sagt sie: »Wow. Wie ist es denn dazu gekommen? Die wohnen doch schon seit Jahren neben euch, ohne dass du je was mit ihnen zu tun gehabt hast.«
Also erzähle ich Nan die ganze Geschichte von Jase und diesem Sommer, wie ich beinahe Hausarrest bekommen hätte und wie schön es ist, mit ihm auf dem Dach zu sitzen und die Sterne zu betrachten.
»Er klettert über das Blumenspalier zu dir aufs Dach?« Nan schnaubt belustigt. »Deine Mutter würde einen Herzinfarkt bekommen, wenn sie wüsste, was da läuft.« Der vorwurfsvolle Unterton in ihrer Stimme ist verschwunden und sie klingt jetzt beinahe bewundernd.
»Ich weiß«, seufze ich, als die Glöckchen über der Tür läuten und eine in eine fuchsiafarbene Strandtunika gehüllte Frau mit einem riesigen Strohhut und entschlossener Miene den Laden betritt.
»Als ich neulich hier war«, sagt sie mit dieser etwas zu lauten Stimme, mit der manche Leute gern mit Verkäufern sprechen, »hatten Sie doch diese witzigen T-Shirts da. Davon wollte ich mir heute ein paar mitnehmen.«
Nan sieht die Frau mit einem geduldigen Lächeln an. »Wir haben viele witzige T-Shirts.«
»Auf denen, die ich meine, war ein Spruch übers Segeln gedruckt«, gibt die Frau spitz zurück.
»Auch davon haben wir unterschiedliche Modelle.«
» Navigation ist … , beginnt die Frau.
» … wenn man trotzdem ankommt «, beendet Nan den Satz für sie. »Die liegen dort drüben in der Ecke neben der Fensterbank.« Sie zeigt mit dem Daumen in die Richtung und wendet sich anschließend wieder mir zu. Die Frau schaut ein bisschen irritiert, macht sich dann aber auf den Weg zu den T-Shirts.
»Wie ernst ist diese Beziehung, von der ich bis gestern keine Ahnung hatte, Samantha? Er sieht – ich weiß nicht – irgendwie älter aus als wir. Als wüsste er, was er tut. Habt ihr schon …?«
»Nein!«, sage ich hastig. »Nein, das hätte ich dir erzählt.« Hätte ich?
»Bekomme ich Rabatt, wenn ich für jedes Mitglied unserer Segelcrew eins kaufe?«, ruft die Frau.
Nan schaut kurz zu ihr rüber und schüttelt bedauernd den Kopf. Dann sieht sie wieder mich an und raunt: »Daniel und ich reden in letzter Zeit ziemlich oft davon, dass es vielleicht langsam mal an der Zeit wäre.«
Das ist eigentlich nur natürlich, schließlich sind die beiden schon lange zusammen. Erstaunlich ist eher, dass sie noch nicht miteinander geschlafen haben. Trotzdem muss ich mir bei der Vorstellung, wie die beiden darüber »reden«, ein Grinsen verkneifen. Daniel ist Präsident des Debattierclubs an der Hodges und einen Moment lang sehe ich ihn in seiner Schuluniform vor mir, wie er in seiner ruhigen, vernünftigen Art zu Nan sagt: »Dann lass es uns angehen, Schatz. Vielleicht sollten wir zunächst mal die Vor- und
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