Mein Sommer nebenan (German Edition)
Nan und zerbeißt einen Eiswürfel.
»Genau genommen«, stellt Tim klar, »wollte Nan , dass ich mich entschuldige.« Er sieht mich an. » Ich möchte mich vor dir in den Staub werfen und dich um Absolution bitten. Das war eine in jeder Hinsicht beschissene und hirnrissige Aktion von mir, und hätte irgendjemand anderes meine Schwester – und dich – in eine so potenziell lebensgefährliche Lage gebracht, würde ich ihn für das allerletzte Arschloch halten, was zwangsläufig nur den einen Schluss zulässt, dass ich – sagen wir es ganz offen – genau das bin. Ein Arschloch.« Er schüttelt den Kopf und nimmt einen Schluck Limonade. »Beachte bitte meine eloquente Ausdrucksweise. Damit hätte ich beim Hochschul-Zulassungstest bestimmt ordentlich Eindruck schinden können. Zu schade, dass ich mich vom Internat habe schmeißen lassen, was?«
Wie lange ist es her, dass Tim sich für irgendetwas entschuldigt hat? Er sitzt am Küchentisch, die Ellbogen aufgestützt, den Kopf zwischen den Händen und atmet so schwer, als hätte er gerade einen Marathon hinter sich. An seiner Stirn kleben ein paar verschwitzte Haarsträhnen. Er wirkt so verloren, dass es wehtut, ihn nur anzusehen. Ich werfe Nan einen Seitenblick zu, aber die trinkt gerade mit teilnahmsloser Miene ihre Limonade aus.
»Danke, Tim. Es ist zum Glück niemandem etwas passiert. Aber du hast mir eine Scheißangst eingejagt. Wie geht es dir?«
»Mal davon abgesehen, dass ich noch derselbe Idiot bin wie gestern – wenn auch vielleicht nicht ganz so betrunken – gut, danke. Und selbst? Was läuft da zwischen dir und Jase Garrett? Ist er bei dir schon weitergekommen als mein Kumpel Charley? Charley war nämlich echt wahnsinnig geknickt deswegen. Aber was noch viel wichtiger ist: Jase’ Schwester ist echt heiß, wie ist sie so drauf?«
»Seine heiße Schwester ist mit einem ungefähr hundertfünfundzwanzig Kilo schweren Footballspieler zusammen«, antworte ich, ohne auf die Frage nach Jase einzugehen.
»Klar«, sagt Tim grinsend. »Und an der Sonntagsschule unterrichtet er wahrscheinlich auch noch.«
»Nein. Allerdings glaube ich, dass er Mormone ist.« Ich grinse zurück. »Aber Kopf hoch. Sie sind jetzt schon etwa einen Monat zusammen, und nach dem, was Jase erzählt, hält Alice es selten länger mit einem Typen aus.«
»Dann werde ich die Hoffnung also nicht aufgeben.« Tim trinkt sein Glas aus und stellt es ab. »Hast du vielleicht irgendwas Normales zu essen im Haus? Möhren oder einen Apfel oder so was? Wir haben nur Sachen im Kühlschrank, die mit irgendwelchem Mist gefüllt sind.«
»Echt schlimm«, seufzt Nan. »Als ich heute Nachmittag in eine total normal aussehende Pflaume gebissen habe, hatte ich plötzlich Blauschimmelkäse im Mund. Mommy hat da so ein komisches Gerät bei QVC bestellt.«
»Den Pumper. Dank ihm können Sie so gut wie jedes Lebensmittel mit einer köstlichen Füllungen veredeln«, ahmt Tim die Stimme eines Teleshopping-Moderators nach.
Genau in diesem Moment klingelt es wieder an der Tür. Diesmal ist es Jase. Er trägt ein verwaschenes graues T-Shirt und Jeans und kommt offensichtlich direkt von der Arbeit.
»Hi!«, ruft Nan übertrieben strahlend. »Falls du es gestern Abend nicht mitbekommen haben solltest – ich bin Nan, Samanthas älteste und beste Freundin. Ich würde ja gern sagen, dass ich schon viel von dir gehört habe, aber tatsächlich hat sie dich bisher mit keiner Silbe erwähnt. Mein Bruder meinte allerdings, er würde dich kennen.« Sie streckt Jase die Hand hin.
»Hallo, Nan.« Er schüttelt ihr zögernd die Hand und wirft mir einen leicht verwirrten Blick zu. »Hi, Mason.« Seine Stimme bekommt einen scharfen Unterton, als er Tim begrüßt, und ich sehe, wie Tims Kiefer sich anspannt. Dann schlingt Jase einen Arm um meine Taille und zieht mich eng an sich.
Da unser hyperaufgeräumtes, steriles Haus nicht wirklich dazu einlädt, gemütlich herumzulümmeln, beschließen wir, in den Garten zu gehen. Jase streckt sich im Gras aus und ich bette den Kopf auf seinen Bauch und ignoriere Nans verstohlenen Seitenblicke.
Eine Weile liegen wir einfach nur faul da, während Jase und Tim sich über gemeinsame Bekannte unterhalten, die sie vom Footballspielen aus der Middle School kennen. Ich ertappe mich dabei, wie ich die beiden beobachte und mich frage, was meine Mutter wohl von ihnen halten würde. Da ist auf der einen Seite Jase mit seinem dunklen Teint, den breiten Schultern und der reifen Ausstrahlung, die
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