Mein Sommer nebenan (German Edition)
Nachteile auflisten, was meinst du?«
»Tim hält mich für total bescheuert.« Nan bohrt mit dem Nagel ihres Zeigefingers kleine Halbmonde in eine Stony-Bay-Leuchtturm-Kerze. »Er sagt, Daniel wäre ein Schlappschwanz und würde es im Bett sowieso nicht bringen.«
Tim! »Wie ist es gestern noch weitergangen? Haben deine Eltern was mitbekommen?«
Nan schüttelt den Kopf. »Nein. Er hat Glück gehabt. Dank deines heimlichen Lovers und seiner Schwester hat er überlebt und kann neuen Scheiß bauen. Mom und Dad haben nichts gehört. Bevor ich heute Morgen gegangen bin, bin ich noch mal in den Keller und hab den Kotzeimer ausgeleert. Mom habe ich bloß gesagt, dass er spät nach Hause gekommen ist und noch schläft.«
»Vielleicht hatte Alice recht mit dem, was sie gesagt hat, Nan. Gestern Abend, das war absolut grenzwertig …«
Sie nickt, seufzt und knabbert an ihrem Daumennagel. »Ich weiß. Ich weiß. Es war ein verdammter Albtraum. Aber ihn in irgend so ein schreckliches Boot Camp schicken? Ich verstehe nicht, wie ihm das helfen soll.«
In dem Moment kehrt die Frau mit einer Ladung T-Shirts über dem Arm – alle in Pink – an die Kasse zurück.
Nan dreht sich mit einem professionellen Lächeln zu ihr um. »Möchten Sie den Einkauf auf Ihre Club-Rechnung setzen lassen oder bar bezahlen?«
Ich bleibe unschlüssig in der Nähe stehen, obwohl es allmählich an der Zeit ist, meinen Dienst anzutreten. Als die Frau mit ihren T-Shirts abgezogen ist und Nan schweigend die Bonrolle in der Kasse wechselt, wende ich mich zum Gehen.
»Du hast alles, was ein Mädchen sich nur wünschen kann, Samantha«, sagt Nan plötzlich leise.
»Du hast Daniel«, sage ich.
»Klar. Aber du hast einfach alles . Wie machst du das nur?« Ihre Stimme klingt bitter. Ich denke daran, wie Nan mir jedes Mal, wenn ich in der Schule ein Minus neben meiner Note habe, triumphierend ihr Pluszeichen unter die Nase hält. Wie sie manchmal eine Hose, die mir wie angegossen passt, mit dem Spruch »Die wäre mir viel zu weit« kommentiert. Ich wollte nie mit ihr konkurrieren, sondern immer nur ihre Freundin sein, ein Mensch, den sie nicht übertreffen muss. Aber in Momenten wie diesen frage ich mich, ob es so etwas für Nan überhaupt gibt.
»Keine Ahnung, Nanny. Es ist jedenfalls nicht so, als hätte ich einen bestimmten Plan, nach dem ich vorgehe.« Die Glöckchen klingeln, als ein weiterer Kunde in den Laden tritt.
»Nein, wahrscheinlich nicht.« Ihre Stimme klingt müde. »Aber es läuft trotzdem immer perfekt für dich, oder?« Sie dreht sich um, bevor ich ihr eine Antwort geben kann. Wenn ich denn eine gehabt hätte.
Dreiundzwanzigstes Kapitel
N ach der Arbeit schenke ich mir ein Glas Limonade ein und lege noch in der Küche meine alberne B&T-Kluft ab, als es an der Tür klingelt. Selbst unsere Klingel hat sich mit Beginn des Sommers verändert. Mom hat eine neue installieren lassen, die Melodien von ungefähr zwanzig verschiedenen Liedern spielen kann, und sich ausgerechnet für »You’re a Grand Old Flag« – eine patriotische Hymne – entschieden. Und nein, das ist kein Scherz.
Ich laufe im Badeanzug in die Waschküche und schlüpfe schnell in ein Tanktop und Shorts, bevor ich durch die Milchglaseinfassung in der Haustür spähe. Es sind Nan und Tim. Seltsam. Die Donnerstag- und Freitagabende sind bei Nan eigentlich für Daniel reserviert, und ich weiß, dass Tim sich bei uns noch nie besonders wohlgefühlt hat. Ich kann es ihm nicht verübeln, mir geht es da ganz ähnlich.
»Sind Sie daran interessiert, in eine engere Beziehung mit Unserem Herrn zu treten?«, fragt Tim, als ich die Tür aufmache. »Denn Er hat mich gerettet, und ich möchte die frohe Botschaft an Sie weitergeben – für nur tausend Dollar und drei Stunden Ihrer Zeit. Kleiner Scherz. Können wir reinkommen, Sammy?«
Sobald wir in der Küche sind, geht Nan an den Kühlschrank und holt den Krug mit Moms Limonade und ihre mit Minze und Limettenstückchen verfeinerten Eiswürfel heraus. Nach all den Jahren kennt sie sich bei uns aus. Sie reicht Tim ein Glas, der stirnrunzelnd die Eiswürfel mit den grünen und gelben Sprenkeln mustert.
»Hast du zufällig Tequila im Haus? Keine Angst, war auch nur ein Scherz. Ha, ha.«
Er fühlt sich sichtlich unbehaglich. Es ist lange her, seit ich Tim einmal nicht gelangweilt und gleichgültig, breit und apathisch oder total überheblich und verächtlich erlebt habe.
»Tim möchte sich für neulich Abend entschuldigen«, sagt
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