Mein Vater der Kater
ihn und er wird einiges wert sein. Denk drüber nach, Snoo, denk nur mal darüber nach.«
Snoo dachte darüber nach. Er blickte über den Rand des Abhangs hinunter in den Garten. Der Junge hielt den Hund am Schwanz gepackt, wirbelte ihn herum und freute sich über das nicht ernst gemeinte Knurren.
»Na gut«, sagte Snoo. Schmerzen füllten seinen Bauch. »Wann wollen wir das durchziehen?«
»Wir fangen gleich morgen an«, sagte Jucky.
Sie mußten vier Tage warten, bis der Junge wieder in dem Garten hinter dem Haus erschien, und sieben Tage, bis er mal ohne den Hund herauskam. Das zwang sie dazu, viermal die Ausgabe der Rationen zu verpassen – ihre Körper schmerzten, ihre Sehkraft litt, und sie waren so narkotisiert, daß sie fast schon zu existieren aufgehört hatten, als sie dort an dem Abhang nahe des Hauses auf ihren Bäuchen lagen.
Aber dann kam der Tag, und der Junge war im Garten, und ihr Verstand war plötzlich ganz wach, auch wenn ihre Körper kaum noch auf die Befehle des Gehirns zu reagieren vermochten.
»Er ist allein!« flüsterte Jucky. »Er ist allein draußen, und das heißt, daß der Strom abgestellt ist. Muß er sein.«
»Kann man das nicht überprüfen?« fragte Snoo unruhig. »Können wir es nicht irgendwie herausfinden?«
»Es gibt nur eine einzige Möglichkeit«, antwortete Jucky und glitt den Hang hinab auf ein Gebüsch direkt vor dem Zaun zu.
Snoo zögerte und folgte Jucky dann, bewegte sich zu dem Abschnitt des Zauns, der nach ihren Plänen sein ›Standplatz‹ sein sollte. Er atmete so laut, daß er fürchtete, der Junge werde ihn hören, aber der bemerkte sie offensichtlich beide nicht – weder Jucky, der schon dicht am elektrischen Zaun und bereit war, sein Leben für ihren Plan aufs Spiel zu setzen, noch Snoo, der parat stand, den Hund abzulenken, sollte dieser aus der Hintertür getobt kommen.
Dann sah Snoo die Bewegung der Drähte und wußte, daß Jucky aktiv geworden war, das heißt jetzt über den Zaun kletterte, ohne getötet worden zu sein. Jucky hatte recht gehabt!
Einen Augenblick später sah Snoo, wie sich der dicke kleine Junge von der kaputten Schaukel abwandte und zu Jucky hinschaute, der auf ihn zukroch, lächelnd und in scheinbar friedlicher Absicht. Snoo dachte, es würde wohl alles sehr viel leichter gehen, als sie erwartet hatten. Der Junge schrie nicht um Hilfe, würde es vielleicht nie tun.
Juckys geschwärztes Gesicht verzog sich zu einem Grinsen, und seine gelb gewordenen Zähne (die paar, die ihm geblieben waren) wirkten fast weiß. Das Kind sah ihn neugierig an, hatte keine Angst.
Als Jucky dann jedoch eine Hand nach ihm ausstreckte, fing der Junge doch an zu schreien. Jucky reagierte sofort, schob seinen peitschendünnen Arm vor, wand ihn um den kleinen Körper wie eine Schlange und legte dem Jungen die knochige Hand auf den Mund.
»Randy!«
Snoo hörte die Stimme des Mannes und hörte sie wieder, als sich die Tür zum Haus öffnete. Aber beim zweiten Mal wurde der Ruf vom Geheul des Hundes übertönt, der aus dem Haus geschossen kam, um zu zerfetzen und zu zerreißen. Snoo rüttelte am Drahtzaun und bellte das Tier an. Der Hund reagierte auf der Stelle und raste zu dem Eindringling hin, den er sehen und riechen konnte.
Es funktioniert! dachte Snoo triumphierend, aber dann zog sich sein Herz zusammen, als er sah, daß Jucky den dicken kleinen Jungen, der zwar erst sechs Jahre alt, jedoch wohlgenährt und deshalb kräftig war, nicht festhalten konnte. Der Junge war fast so stark wie Jucky, und bald würde der Mann mit dem Gewehr da sein, und die Sache wäre gelaufen.
Snoo sah zu dem wütend kläffenden Hund hin, der auf ihn zu gestürmt kam, und fragte sich, ob er nicht lieber alles aufgeben, Jucky zurücklassen, den Hang hinaufklettern, so schnell wie möglich ins Lager zurückrennen und auf die Freundschaft und die Entführung und das Verbrechen pfeifen sollte.
Da geschah jedoch etwas Wunderbares. Der Hund warf sich gegen den Zaun, und Millionen Funken stoben aus seinem Fell. Ein entsetzlicher Schrei, ein Höllengeheul drang aus der Kehle des Tieres, das qualmend auf den Boden fiel, die Tigerzähne in die eigene herausgestreckte schwarze Zunge geschlagen – und Snoo wurde klar, daß der Mann den Zaun in der Hoffnung wieder unter Strom gesetzt hatte, die Eindringlinge so töten zu können. Aber alles, was er getötet hatte, war sein Hund.
Von größter Wichtigkeit war jetzt, daß es dabei einen Kurzschluß gegeben hatte – das Feuer in den
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