Mein Vater der Kater
übrigzuhaben.«
»Euer Ruf war Euch vorausgeeilt«, sagte sie scheu, »aber ich durfte ja nichts tun, was den Argwohn meines Mannes hätte erregen können.«
»Und jetzt?«
»Und jetzt«, sagte die Lady, »haben sich Seine Lordschaft zu Beratungen mit dem Abgesandten der Königin zurückgezogen, und Ihr mögt beweisen, daß Ihr Eurem Ruf gerecht zu werden wißt.«
Meinem Ruf gerecht wurde ich und hätte vielleicht sogar ihre Erwartungen noch übertroffen, wäre nicht Lord Drago gedankenlos von seiner Besprechung zurückgekehrt und auf direktem Wege in das Schlafzimmer gekommen. Einen Fluch ausstoßend, stürzte er sich mit gezogenem Schwert auf mich, und da mir weder zum Ankleiden noch zur Vorbereitung meiner Selbstverteidigung Zeit blieb, entschied ich mich für das offene Fenster und die herabbaumelnde Leiter aus Efeu.
»Wache! Wache!« schrie Lord Drago, und überall um mich herum war das Gepolter ihrer Stiefel zu hören. Zu meinem Glück bot sich mir eine hilfreiche Hand, welche einer wohlgestalteten Zofe namens Francoise gehörte.
»Hier herein!« flüsterte sie und führte mich in ihre verdunkelte Schlafkammer. Ich stieß einen Seufzer der Erleichterung aus, den sie als Äußerung der Leidenschaft auffaßte. Sie warf sich mir in die Arme, und ich erfuhr bald, daß ihre niedere Stellung weder ihrem Liebreiz noch ihrer Leidenschaftlichkeit Abbruch tat. Aber schon als wir noch miteinander herumschmusten, spürte ich die Anwesenheit eines Fremden im Raum. Ich löste mich aus ihren Armen und erblickte das finstere Gesicht eines Pagen, der eine Kerze in die Höhe hielt. Ihr Licht hatte unser Gekose in Form sich bewegender Schatten auf der Wand abgebildet.
»Rudolpho!« schrie Francoise. »Mein Gemahl!«
Rudolphos Fluch war deftiger als der Seiner Lordschaft, und seine Waffe war ein gemeines Messer, welches er aus dem Wams zog. Ich begegnete seiner Attacke mit einem Kissen, das ich vor mich hin hielt, aber da ich wußte, daß ich in meiner Schwäche seiner Muskelkraft nichts entgegenzusetzen hatte, floh ich schnellen Fußes. Inzwischen war der ganze Palast alarmiert worden, und ich, der ich stark in der Minderheit und zudem unbewaffnet und unbekleidet war, lachte leise über die Wendung des Schicksals, die mich in diese Lage gebracht hatte. Als ich hörte, wie sich oben eine Tür knarrend öffnete, und ich die Königin selbst erblickte, die mich zu sich winkte, da sprang ich beherzt die Stufen hinauf und war einmal mehr bereit, im Namen der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit in den Kampf zu ziehen.
Als die Sonne aufging, traf das Leuchten der goldenen Spitze des Minaretts mein Auge, und ich setzte mich schnell auf, um Allah dafür zu preisen, daß er mich einen neuen Morgen erleben ließ. Ich hüllte mich in meine Lumpen und machte mich wieder einmal bereit, geleitet von der Hoffnung, irgendein Edelmann werde sich meines Hungers erbarmen, auf die Straße hinauszutreten. Der Vormittag war fast schon vorbei, als ich Eunuchen mit Stöcken vor dem Harem eines großen Sultans einherschreiten sah. Als ich meine unwürdige Gestalt aus ihrem Weg entfernte, hörte ich eine Frauenstimme rufen: »Haltet ihn! Haltet diesen Bettler dort fest!«
Und siehe da, die Eunuchen ergriffen mich, fesselten mich mit Stricken und trugen mich, meines Geschreis nicht achtend, zum prächtigen Palast des Sultans. Ich zitterte vor Angst um mein junges Leben, selbst noch, als mir die Sklavenmädchen meine Lumpen vom Leib nahmen, mich schrubbten, wuschen, mit Rosenwasser betupften und mir die herrlichen Gewänder eines Prinzen überstreiften. Als das geschehen war, wurde ich in eine große Halle gebracht, wo singende Frauen das Tamburin schlugen und sich andere im Tanz geschmeidig bewegten wie Blumen im Wind, wobei die Blumenblätter ihrer Kleidung immer wieder folternde Blicke auf ihre nackte Lieblichkeit freigaben. Und auf den Kissen ruhte, meinen Blick anziehend wie der aufgehende Vollmond, eine schöne Dame aus dem Harem des Sultans. Sie streckte die edelsteingeschmückte Hand aus und sagte: »Willkommen, willkommen, o Mächtiger. Sei uns willkommen. Erwählter Allahs.«
Ich fiel auf die Knie nieder und erbat eine Erklärung, worauf ich die folgenden Worte vernahm: »O Mächtiger, Ihr seid des Sultans Harun-al-Akbars verschollener Sohn, der von einem hinterhältigen Zauberer um sein Erbe gebracht wurde. Aber jetzt haben wir Euch wiedergefunden, und alle Wunder Eures Reiches und Eures Palastes sind wieder Euer, denn ach, Euer
Weitere Kostenlose Bücher