Mein verruchter Marquess
Jahren, die er mit dem Kampf des Ordens gegen ihre Feinde, die Prometheusianer, verbracht hatte - also länger, als Max überhaupt am Leben war -, war Virgil nun der Anführer des Ordens in London. Wer Virgils Vorgesetzte innerhalb der Regierung waren, das war eine Information, die Max nicht besaß.
Als Verbindungsmann seiner Gruppe jedoch wusste er von anderen Zellen überall in den großen Städten auf dem Kontinent, wo immer der Rat der Prometheusianer zu mächtig geworden war.
Der Rat der Prometheusianer hatte seine Fangarme in jedem europäischen Hof. Sie dachten nicht in Jahren, sondern in Jahrzehnten, sogar Jahrhunderten, in ihrem endlosen Drang, Macht über die Menschheit zu gewinnen. Von Zeit zu Zeit erhoben sie sich, um die Menschen zu bedrohen, aber nie zuvor in der Geschichte waren die Prometheusianer ihrem Ziel so nahe gekommen wie in den vergangenen zwanzig Jahren, als sie die Herrschaftsstrukturen Napoleons unterwanderten.
Nach Art aller Parasiten hatten sie sich allmählich eingeschlichen, indem sie das Vertrauen der Mächtigen nach und nach gewannen und ihren dunklen Einfluss immer mehr geltend machten in der Gestalt von vertrauten Ratgebern, erfahrenen Generälen, alten Freunden. Still und geduldig korrumpierten sie alle und breiteten sich von innen her wie eine tödliche Krankheit aus.
Wenn Napoleon, überlegte Max, die Schlacht gewonnen hätte, sähe die Welt ganz anders aus. Aber Bonaparte war besiegt worden, und jetzt würde das Menschengeschlecht vielleicht weitere fünfzig Jahre Ruhe haben, ehe sich der Feind wieder erhob und einen neuen Angriff unternahm.
Natürlich war dem Rat noch ein letzter Sieg gelungen, ehe er vernichtend geschlagen war.
Ein Spion der Prometheusianer hatte falsche Neuigkeiten nach London gebracht über den Ausgang der Schlacht bei Waterloo. In jenen frühen Morgenstunden hatte jemand behauptet, Wellington hätte verloren - und Napoleon hätte die britische Armee in Belgien vernichtet. Und der Albtraum, dass das Ungeheuer sich der britischen Küste näherte, wäre wahr geworden.
Diese schrecklichen Gerüchte hatten sich in London ausgebreitet und an jenem Tag eine Panik an der Börse verursacht. Der Aktienmarkt war zusammengebrochen, aber die gefühllosen Prometheusianer waren bereit gewesen und hatten solide britische Firmen für einen Penny das Pfund aufgekauft.
Jeder Aktienbesitzer in London hatte sofort seine Anlagen abstoßen wollen, in dem Glauben, das Geld auf der Stelle zu brauchen, damit er möglicherweise fliehen konnte, um die Familie, wenn nötig, vor dem Einmarsch der Grande Armee zu schützen. Panik hatte sich ausgebreitet. In ihrer Verzweiflung waren die Menschen bereit gewesen zu nehmen, was immer sie für ihre Aktien bekommen konnten, aber die Einzigen, die kauften, waren die Scheinfirmen, die die Prometheusianer errichtet hatten, um ihren Betrug durchführen zu können.
Über Nacht hatten große Firmen die Besitzer gewechselt. Viele angesehene Kaufleute waren ruiniert, die Ersparnisse von zahllosen unschuldigen Menschen verschwunden, und niemand, nicht einmal der Orden, hatte das kommen sehen.
Max' eigenes Vermögen war auch betroffen, doch zum Glück hatte er vorwiegend in Landbesitz investiert. Die Panik an der Börse war vorüber, als die Nachricht von Wellingtons Sieg eintraf, aber bis dahin war ein großer Teil des Schadens bereits angerichtet.
Die Prometheusianer waren mit einem Millionenvermögen davongekommen. Zweifellos würde ihnen das Geld bei ihrem nächsten Versuch helfen, die Tyrannei in der Welt zu errichten. Und deswegen wurde die nächste Generation von Ordenskriegern bereits in demselben abgelegenen Schloss in Schottland ausgebildet, in das Max als Junge gebracht worden war.
„Gut. Sie haben meine Nachricht erhalten", sagte Virgil schroff.
„Also, wo sind die Bastarde?", fragte Max grinsend, während er seinem alten Mentor die Hand schüttelte, die ihm einst so groß erschienen war wie eine Bärentatze.
Jetzt war seine eigene genauso groß, und was die erstaunliche Größe des Schotten betraf, der ihm als Kind so riesig erschienen war, so stand er ihm jetzt Auge in Auge gegenüber.
„Unten", erwiderte der Sucher. „Sie haben beide ihre Berichte beendet."
Wie sehr hatte er diese Burschen doch vermisst! „Virgil?" Max sah in die blauen Augen, in denen eine Spur Besorgnis lag. „Geht es ihnen gut?" Sofort erkannte er, dass er auf das Stirnrunzeln hätte gefasst sein sollen, das er zur Antwort erhielt.
„Natürlich
Weitere Kostenlose Bücher