Mein verruchter Marquess
Schreibtisch auf den Schoß. Sie spitzte eine Feder an und prüfte, ob sie auch scharf genug war, so wie sie selbst es sein musste, um mit ihm fertig zu werden.
Sie zog ein Blatt Leinenpapier heraus, auf das ihr Monogramm geprägt war, tauchte die Feder in die blaue Tinte und überlegte, wie sie ihre vierte Zurückweisung in Bezug auf einen Verehrer formulieren sollte. Hm ...
Vielleicht verdiente sie den Ruf, Männer zu vertreiben.
Am nächsten Tag waren Warrington und Falconridge zum Frühstück bei Max, nachdem sie zu dritt den Morgen auf dem Fechtboden verbracht hatten. Seine Freunde waren bester Laune, aber Max befand sich in seltsamer Stimmung. Nach der unerwarteten Wendung, die Daphnes Besuch bei ihm am Vortag genommen hatte, konnten nicht einmal die körperlichen Übungen seine Unzufriedenheit lindern.
Lange unterdrückter Zorn hatte die ruhige Oberfläche seiner Selbstkontrolle durchbrochen. Während seine Freunde über Belanglosigkeiten plauderten, einfach froh darüber, dass die schwere Last der Welt nicht mehr auf ihren Schultern ruhte, ertappte Max sich dabei, wie er darüber nachdachte, welch hohen Preis sie für ihre Verwicklungen in die Tätigkeiten des Ordens bezahlen mussten.
Ihre Familien hatten ihnen das angetan, und vermutlich war dieser Umstand der eigentliche Grund, warum er seine Schwester seit seiner Rückkehr in die Stadt gemieden hatte.
Natürlich hatte Bea nichts mit der Entscheidung seines Vaters zu tun, ihn an den Sucher zu übergeben im Austausch für eine große Summe in Gold. Doch wann immer Max seine Schwester ansah, konnte er nicht anders, in ihr stets nur ein Mitglied der Familie zu sehen, die ihn verkauft hatte wie einen Sklaven, wohl wissend, dass er dabei getötet werden könnte. Er war erst ein Kind gewesen, ein unschuldiges Kind.
Kein Wunder, dass er seine Schwester erst hatte sehen wollen, wenn er dazu bereit war. Aber jetzt, da Daphne seine harte Haltung gegenüber Bea erkannt hatte - und er seine Kälte mit ihren Augen sah -, fühlte er sich wie ein elender Schurke, weil er seine nächste Familienangehörige so vernachlässigt hatte.
Er war so auf seine eigenen Wunden konzentriert gewesen, dass er Beas Gefühle nicht bedacht hatte.
Dazu kam, dass der Anblick seiner inzwischen erwachsenen Schwester, die bereits eigene Kinder hatte, ihm wieder ins Bewusstsein rief, wie viel Zeit er verloren hatte. Er wusste, dass der Kampf gegen die Prometheusianer geführt werden musste, aber er begriff jetzt auch, wie er benutzt worden war, als er noch zu jung war, um zu verstehen, in was er da hineingeriet. In seinem Kampf mochte der Orden auf der Seite der Guten stehen, aber ganz gewiss hatten sie nicht gezögert, das Unglück seiner Familie auszunutzen.
Max wusste nicht, was er mit der Abneigung anfangen sollte, die in ihm gegen seinen alten Mentor Virgil erwuchs.
Aber da sein Vater tot war, gab es niemanden, dem er sonst einen Vorwurf machen könnte.
Er schob die schmerzhaften Überlegungen beiseite und erinnerte sich noch einmal daran, dass der Krieg vorbei war.
Jetzt zählte nur noch, mit seinem Leben weiterzukommen - und mit Daphne.
Und doch hatten diese Dornen, die noch in seinem Fleisch steckten, bereits angefangen, ihnen beiden Probleme zu bereiten, so wie am Vortag. Max erkannte jetzt nur zu gut, wie die Forderung des Ordens nach Geheimhaltung ihn und seine Freunde isolierte und zu verhindern drohte, dass sie jemals am Leben teilhatten.
Ihre Geheimnisse trennten sie von den Menschen, die sie beschützten, und Max war deswegen unfähig, Daphne zu sagen, wer er wirklich war.
Sie wollte Antworten, aber ihre Fragen hatten ihn seltsamerweise verwirrt. Auf diesem Gebiet war sein berechnender Verstand keine Hilfe. Wer, zum Teufel, war er überhaupt? Es gelang ihm kaum, die Wahrheit über sich selbst herauszufinden nach so vielen Jahren der Täuschung und der Verstellung.
In Anbetracht des sich stets verwandelnden Burschen, der er geworden war - welcher Max sollte da ihre Fragen beantworten? Welche Version von ihm? Der Grand Tourist? Der sogenannte Teufelsmarquess?
Oder der Mann hinter alledem? Isoliert, einsam, obwohl er das nicht einmal unter der Folter zugeben wollte.
Diesen Max wollte sie bestimmt nicht. Den hatte noch nie jemand gewollt.
Geheimnisse neigten dazu, von Zeit zu Zeit herauszukommen, doch bis zu diesem Augenblick war es Max gelungen, dieses eine vor sich selbst zu verbergen: Den wahren Grund, aus dem er Daphne gewählt hatte.
In ihren himmelblauen
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