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Mein Wahlkampf (German Edition)

Mein Wahlkampf (German Edition)

Titel: Mein Wahlkampf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Maria Schmitt
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Abstimmung im Netz entdeckte, stand ich bei mickrigen drei Prozent, in Führung lag der SPD-Mann mit neunundzwanzig Prozent und neunhundertachtundsechzig Stimmen. Einen Tag später, als das Votum beendet wurde – der Politkommissar hatte zuvor sämtliche verfügbaren Mailverteiler und Facebook-Kontakte bespielt –, führte ich einsam mit viertausendzweihundert Stimmen und der soliden Mehrheit von siebenundvierzig Prozent.
    Dass das schöne Ergebnis am darauffolgenden Tag in der Printausgabe als «Spaßergebnis eines Spaßkandidaten» herabgewürdigt wurde, machte den Kommissar sehr wütend – Trost spendete jedoch ein Leserbrief, der sich später im gleichen Blatt fand:

Betreff: O. M. Schmitt ist der beste Kandidat!
 
Sehr geehrte Leser der «Frankfurter Neuen Presse»,
 
im Zusammenhang mit der Kandidatur Oliver Maria Schmitts um den Posten des Frankfurter Oberbürgermeisters wird immer wieder der Vorwurf ins Feld geführt (auch in dieser Zeitung), bei der Partei «Die PARTEI» handle es sich um eine Satire- oder reine Spaßpartei. Hauptsächlich von den etablierten Altparteien wird dieses Argument mantramäßig wiedergekäut, speziell im Hinblick auf Schmitts ungewöhnlichen Wahlkampf (z.B. der Slogan «Nichtraucherfreies Frankfurt», die «Artenkritische Zoobegehung» oder sein Auftritt auf einer DGB-Veranstaltung). Demgegenüber stehen jedoch Innovationsfähigkeit, Entbiederung des Wahlkampfs und vor allem die extreme Bürgernähe abseits langweiliger Großveranstaltungen. Und dass ein Bürgermeister, der «anders» auftritt und keine Nullachtfuffzehn-Politikerkarriere vorlegen kann, durchaus eine respektable und erfolgreiche Politik machen kann, hat Jón Gnarr, Mitglied der (Satire-)Partei «Beste Partei» und gewählter Bürgermeister der isländischen Hauptstadt Reykjavik, wohl mehr als hervorragend bewiesen.
Allen Bürgern Frankfurts ist der Kandidat O. M. Schmitt als wirkliche Alternative wärmstens ans Herz zu legen.
 
David Hamann (mit Hut)
Frankfurt
    Endlich waren wir unter Menschen! Unser Demonstrationszug hatte das tote Bankenviertel durchquert, einen Fotostopp an der Alten Oper absolviert, nun schlängelte er sich durch die Fußgängerzone. Schon tauchte der erste Wahlinformationsstand der Konkurrenz auf. Je näher wir kamen und je lauter wir wurden, desto mehr verschanzten sich die CDU-Wahlhelfer hinter den riesigen Plakaten ihres Spitzenkandidaten Boris Rhein. Wir stellten uns direkt vor den Stand, ich nahm das Megaphon und brüllte: Rhein in den Main, Schmitt in den Römer / Dann wird Frankfurt noch viel schöner!
    Während die Polizei die aufgebrachten CDUler zu beruhigen versuchte, zogen wir weiter. Nach einigen hundert Metern versperrte uns ein SPD-Stand den Weg. Traurige Sozialdemokraten blickten uns an, als wir riefen: Sozis, lasst das Glotzen sein / Kommt zu uns und reiht euch ein! Zwischendrin schrien wir auch mal, weil das sowieso immer stimmte: Wer hat uns verraten? / Sozialdemokraten!
    Nach und nach schwoll unser heldenhafter kleiner Demozug an. Immer mehr Passanten wurden zu Mitläufern und folgten uns. Junge Menschen kamen und baten darum, Handshake-Fotos mit mir machen zu dürfen. Der Landesvorsitzende nahm die Handys und fotografierte, ich gab die Fototapete. Was wollten die Kinder nur mit diesen Bildern anfangen? Ich hatte ja praktisch keinerlei Berühmtheit zu bieten. Fotografierten sie auf Vorrat, auf Verdacht? Gut, wenn ich erst mal Kanzler bin, in ein paar Monaten, dann werden sie vielleicht damit renommieren können. Ein Handshake-Foto ist offenbar eine Art digitale Währung, mit der auf Facebook und in anderen Web-Foren bezahlt werden kann. Was auch immer.

    Die fotografisch bis dahin ergiebigste Aktion des Wahlkampfs war das Wasserhäuschen-Hopping. Zwar hatten wir nach den neuesten Erkenntnissen des professionellen canvassing und anderer Graswurzel-Methoden immer wieder kleinere Mobilisierungskampagnen gestartet, doch der Politkommissar legte es unbedingt darauf an, «eine psychologische Verbindung zwischen Kandidat und Wähler zu schaffen», wie er es formulierte. «Sie müssen Aufmerksamkeit erregen, eine klare Botschaft vermitteln und sich deutlich von konkurrierenden Kampagnen abgrenzen.» Eine prospektive Wähleranalyse hatte zudem ergeben, dass besonders viele potenzielle Schmitt-Wähler tagsüber an Wasserhäuschen anzutreffen waren. Diese speziellen Frankfurter Institutionen, die woanders Trinkhalle, Kiosk, Büdchen oder Spätkauf heißen, sind übers

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