Mein Weg mit Buddha
furchtsamer Mensch mag sein Leben lang Angst haben (innere Ursache), aber erst, wenn eine äußere Ursache eintritt – nehmen wir an, er ist mit seinem Boot auf dem Meer unterwegs und ein Sturm zieht auf –, erst dann stellt sich eine manifeste Wirkung ein: Der ängsliche Mensch kehrt augenblicklich zum rettenden Ufer zurück – und wird in Zukunft vor lauter Angst nie wieder ans Meer fahren (latente Wirkung). Trotzdem sind weder Meer noch Sturm, geschweige denn das Boot schuld daran. Das Ereignis war nur der äußere Anlass, der dem furchtsamen Menschen seine Angst vor Augen führt. Unter bestimmten Voraussetzungen wirbeln wir den Bodensatz in unserem Leben auf und wundern uns dann, dass dabei so viel Schlamm, also Unglück, nach oben steigt. Vielleicht hat jemand anderes umgerührt (äußere Ursache), aber es ist unser eigener Dreck (latente Ursache), der aus dem scheinbar klaren Wasser unseres Lebens eine braune Brühe macht (manifeste Wirkung). Dem ›Umrührer‹ können wir dafür nicht die Schuld in die Schuhe schieben.«
Ich musste lächeln. Wieder das gleiche Bild! Wie damals in der Bad Hersfelder Kantine … Allerdings war meine Frage damit noch nicht beantwortet.
»Je sais, c’est très complexe«, räumte mein Liebster ein, »und es ist auch sehr schwierig. Du setzt mit deinem Leben, deinen Handlungen permanent Ursachen, sichtbar oder nicht sichtbar, die ständig Wirkungen erzeugen. Wie ich dir eben anhand der Lotosblume erklärt habe, ist dabei die Gleichzeitigkeit von Ursache und Wirkung von Bedeutung: Der jetzige Augenblick ist die Folge der Ursachen deiner Vergangenheit und er ist gleichzeitig die Ursache für alles, was in deiner Zukunft passiert. Dass – wie in dem Fall des eben erwähnten Herren – nicht sofort eine manifeste Wirkung auf eine fraglos böse Ursache sichtbar wird, liegt daran, dass, wie in der Natur auch, die Dinge zwar vorhanden sind, aber erst eine äußere Ursache brauchen, um sich zu manifestieren. Und das dauert manchmal lange, mitunter bis zum nächsten Leben. Es muss Frühling werden, damit ein Baum blüht, und trotzdem waren seine Blüten im Winter ja nicht »weg«, sie waren nur einfach nicht sichtbar. Aber das führt jetzt wirklich zu weit … und gehört im Grunde genommen auch schon zum Thema Leben und Tod.«
Es war Hochsommer. Draußen wurde es langsam hell. Nach so viel »Ursache und Wirkung« würden wir die Lektion über die »Zehn Welten« wohl wieder einmal vertagen müssen … Aber es war auch so schon sehr viel Information für einen einzigen Abend gewesen.
Eigentlich war alles so klar, so richtig, so vernünftig, so logisch. Nur, und da wiederholte sich mein zugegebenermaßen einziges, aber prominentes Problem: Dass man durch einfaches Chanten allein positive Ursachen setzen kann, um damit Nutzen, also positive Wirkung, zu erhalten und damit sein Karma positiv zu beeinflussen respektive grundlegend zu verändern, das muss man schlichtweg glauben. Beweisen lässt es sich erst, wenn man wirklich chantet.
Peng. Da war sie also wieder, diese subtile Aufforderung, endlich einen Schritt weiterzugehen. Kein Nam Myoho Renge Kyo , kein Beweis. »Ich chante für dich, vraiment«, sagte die Liebe meines Lebens, »aber ich kann nicht deinen Lebenszustand erhöhen. Das musst du schon bitte schön selber tun.« Den Lebenszustand erhöhen, Lebenskraft ansammeln, das heißt Mut, Weisheit, Mitgefühl und Lebenskraft hervorbringen – dass es in erster Linie darum geht und dass dies auf diesem buddhistischen Weg das Wichtigste überhaupt ist, blieb mir zum damaligen Zeitpunkt noch weitgehend verschlossen.
Im Spätsommer des gleichen Jahres ergab eine äußere Ursache den entscheidenden Ruck nach vorn und führte mich in die – wie ich nach 18 Jahren nun sicher weiß – für mich absolut einzige und richtige Richtung.
Ein Theater in Bochum bat mich, für eine erkrankte Kollegin einzuspringen, zwölf Tage vor der Premiere: die Hauptrolle in Neil Simons Ein ungleiches Paar. Was für eine Herausforderung! Ich nahm diese schwierige Aufgabe, wenngleich mit ein bisschen Bauchschmerzen, an. Diese Entscheidung sollte in den nächsten Jahren gewaltige Auswirkungen nach sich ziehen. Ein großer Nutzen – eine neue Theaterwelt im Bereich der Komödie plus einer Lebensfreundschaft in einer Stadt namens Düsseldorf, die ich früher niemals freiwillig betreten hätte, denn das war für uns Essener Kinder »feindliches Ausland« und das Breitscheider Kreuz der »Eiserne Vorhang«.
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