Mein Weg mit Buddha
Wenn wir vor dem Gohonson sitzen und chanten, können wir diese negativen Tendenzen erkennen und bekämpfen. Wir müssen diesen Kampf gegen die Widrigkeiten aufnehmen und dürfen uns unter keinen Umständen besiegen lassen. Die unangenehme Tatsache dabei ist dabei allerdings, dass in dem Moment, in dem wir ernsthaft damit anfangen, unser Leben zu polieren, die negativen Kräfte mit aller Gewalt aus dem Boden schießen und uns das Leben schwer machen. Nicht gerade ermutigend, um mit der buddhistischen Praxis zu beginnen! Doch ich hatte verstanden, worum es hier geht: Das Universum tritt uns quasi in den Hintern, damit wir unsere menschliche Revolution in Gang bringen, kämpfen lernen und dann unsere Buddhaschaft – am besten noch in diesem Leben – verwirklichen!
Na denn, einmal tief durchatmen und los! Ich hatte beschlossen, mutig zu sein. Trotz der im Hintergrund drohenden negativen Kräfte. Das würde ich in Kauf nehmen. Ich war bereit, das Risiko einzugehen. Mit dem Verstand kann ich das nicht erklären. Die ausgiebige Lektüre hatte mich zwar ein bisschen schlauer gemacht, aber das Gefühl, das sich einstellte, diese Notwendigkeit, diese Art Sehnsucht, mit dem Chanten dieses Satzes zu beginnen, schien irgendwie aus dem Universum zu kommen und sich direkt in meinem Herzen einzunisten. Ein neuer Weg. Eine Reise ins Unbekannte. Und jede Reise beginnt mit einem ersten Schritt. Also los!
Warum ich mich gerade in diesem Moment meines Lebens entschlossen hatte, mit der Praxis zu beginnen, keine Ahnung. Ich war nicht in Not. Ich brauchte das alles nicht. Trotzdem hatte ich das Gefühl, dass es für mein künftiges Leben wichtig war. Von heute an lautete der Titel eines der Bücher, die ich von der SGI-D mitgebracht hatte, und ich nahm ihn gleichsam zum Motto. Wie aufs Stichwort meldete sich zudem mein praktisch veranlagtes Vernunftstimmchen im Innenohr: »Hey! Der Zeitpunkt ist günstig! Dir geht es gerade supergut: Du hast keine finanziellen oder anderen Sorgen, du wirst in einem halben Jahr die Liebe deines Lebens heiraten, dein Stück in Bochum ist ein Riesenerfolg und es werden bereits Verhandlungen über eine Neuinszenierung in Düsseldorf, Köln und München geführt. Also, meine Liebe, let’s go!« Eine glückliche und sorgenfreie Zukunft lag vor mir. Vielleicht war das die beste Voraussetzung, um mit dem Chanten anzufangen. Sicher fällt es leicht, mit dem Beten zu beginnen, wenn es einem nicht gut geht oder wenn man dringend etwas braucht, aber ist man dann nicht versucht, gleich wieder aufzuhören, sobald die Dinge wieder im Lot sind? Mit einer vagen Vorstellung von dem, was Buddhaschaft sein könnte, den Blick fest auf die weiße Wand im Schlafzimmer meiner Bochumer Theaterwohnung gerichtet, konzentriert, aufrecht, die Handflächen gegeneinander haltend, so ernsthaft wie möglich – entweder richtig oder gar nicht – chantete ich ganz für mich allein meine ersten richtig lauten »Daimoku 7 «, also diesen einen Satz Nam Myoho Renge Kyo. Ich wiederholte ihn immer und immer wieder »mit der Entschlossenheit eines brüllenden Löwen«, wie es in einer Schrift von Nichiren Daishonin heißt. Blöd kam ich mir nicht mehr dabei vor. Sah ja auch keiner zu. Irgendwie hatte dieses Chanten etwas … Nach einer Weile spürte ich eine Art seltsamer Zufriedenheit, völlig grundlos. Ein simpler Glückszustand.
Und es war genau die richtige Entscheidung, die ich da getroffen hatte. Ich setzte, ohne es zu ahnen, eine Ursache, deren Wirkung sich erst viele, viele Jahre später bemerkbar machen sollte, eine Wirkung in Gestalt eines Fallschirms. Ein Freund und Mentor brachte das mit einer einfachen Geschichte voll auf den Punkt: »Denk dir, du lebst in einer Gesellschaft, in der einige plötzlich anfangen, einen Fallschirm zu tragen. Du fragst sie, welchen Sinn das habe, und du kriegst zur Antwort, man wisse ja nie so genau und es sei ja auch recht kleidsam. Dir fällt auf, dass immer mehr Leute so einen schön zusammengefalteten Fallschirm auf dem Rücken tragen und denkst dir schließlich: ›Ist ja ganz schick und die Seide fühlt sich angenehm an, also warum nicht?‹ Jahre später – der Fallschirm ist immer noch in Mode und zu deinem ständigen Kleidungsstück geworden – trittst du eine Reise in einem Flugzeug an. Es gibt einen Zwischenfall und das Flugzeug droht abzustürzen. Du und die anderen Passagiere mit dem schicken Fallschirm-Outfit springen, ziehen rechtzeitig die Leine, gleiten sanft zu Boden – und
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