Mein Weg mit Buddha
gibt beides: Zum einen das sogenannte unveränderliche Karma, genannt »Schicksal«, will heißen »geschickte Mühsal«, also nach Shakyamuni, wie du weißt, die Vier Leiden, die allem Leben innewohnen. Aber, bonne nouvelle, sogar dieses Karma können wir durch das Chanten verändern – wir nennen das »Gift in Medizin verwandeln« – und somit ein glücklicheres, längeres Leben führen. Zum anderen gibt es das veränderliche Karma, das dich und deine Umgebung betrifft. Höchstwahrscheinlich gibt es irgendeinen anderen Menschen, der Komplize deines Karmas ist. Wenn du mit dieser Person ein Problem hast, fang bei dir an, damit sich aufgrund deiner eigenen menschlichen Revolution dein Gegenüber und damit deine Umgebung ändert. Das nennt man auch die »Einheit von Mensch und Umgebung«. Da das Prinzip von Ursache und Wirkung nun aber das ganze Universum durchdringt, liegt auch auf der Hand, dass es keinen Unterschied zwischen gestern, jetzt und morgen gibt. Alles ist immer da. Das ist die zweite Bedeutung des Bildes der Lotosblume.«
»Wie? Ich denke, Schlamm – also Leid – oder irdische Begierden, eben dieser ganz normale Alltagskram, sind der Nährboden für die Erleuchtung, das heißt für die schöne Blüte und unzerstörbares Glück? Was kommt denn nun noch?« Langsam wurde mir das ein bisschen zu viel …
»Weißt du nicht, dass der Lotos eine der wenigen Pflanzen ist, die gleichzeitig Samen und Blüten tragen? Musst mal drauf achten.«
»Echt?«, fragte ich und konnte nur schwer der Versuchung widerstehen, augenblicklich nach draußen zu flitzen und diese Behauptung im nahe gelegenen Park mit dem Seerosenteich zu überprüfen.
»Tu peux me croire. Es stimmt. Und damit haben wir das Bild von der Gleichzeitigkeit von Ursache und Wirkung: Saat und Ernte.«
»Und was habe ich jetzt davon, dass ich das alles weiß?«, bemerkte ich trocken. »Mir brummt der Schädel!«
»Du bist unverbesserlich!«, lachte mein Liebster. »Kannst du die Dinge nicht einmal so akzeptieren, wie sie sind? Brauchst du immer eine Beweisführung?«
»Ja!«, sagte ich im Brustton der Überzeugung.
»Dann bist du hier richtig! Bienvenue au Bouddhisme du Nichiren Daishonin! Buddhismus ist beweisbar, Buddhismus ist Vernunft. Das Prinzip von Ursache und Wirkung ist Vernunft. Man kann es sehen, man kann es nachvollziehen. Wenn ich meine Hand in einen Topf mit kochendem Wasser halte, verbrenne ich mich. Ursache – Wirkung. Und der Wirkung ist es ziemlich egal, ob ich sie als böse, unmoralisch oder gemein bezeichne. Sie ist nicht »schuld daran«. Sie folgt ihrer ureigenen Gesetzmäßigkeit. Das kochende Wasser ist nicht »böse«, es ist nur heiß. Und der Topf kann auch nichts dafür. Also wenn ich meine Hand da hinein halte, bin ich entweder dumm oder wahnsinnig. Damit schaffe ich die Ursache für den negativen Effekt.«
»Ja, aber«, wandte ich ein, »in deinem banalen Beispiel ist das supereinfach und ganz klar. Ursache und Wirkung zeigen sich sozusagen gleichzeitig: Eine Hand, ein Topf mit kochendem Wasser – und die Verletzung erfolgt garantiert und augenblicklich. Aber so ist es doch meistens nicht im Leben. Denk doch nur einmal an diesen ›Dings‹, du weißt schon, diesen Mega-Drecksack, der seit Jahren gegen alles und jeden intrigiert. So, wie ich es mitbekommen habe, ist er außerdem ein Dauerfremdgeher. Und ständig auf Koks. Man sagt auch, dass er sich kleine Jungs nach Hause liefern lässt. Letztes Jahr hat er seinen Geschäftspartner rausgekickt und dessen Existenz zerstört, worauf sein Kompagnon sich umgebracht hat. Erinnerst du dich? Und was ist passiert? Kurz darauf bekam er diesen Millionenauftrag und jetzt geht er auch noch in die Politik. Es geht ihm blendend, auch gesundheitlich. Wo sind da Ursache und Wirkung? Wo ist das, was ich Gerechtigkeit nenne?«
»Das liegt daran, dass es zwei verschiedene, aber miteinander verbundene Arten von Ursache und Wirkung gibt.«
»Aua, jetzt wird’s kompliziert!«
»Dann pass gut auf: Erstens gibt es die äußere Ursache und die manifeste Wirkung – die kann man sehen und wahrnehmen. Wie in dem Beispiel mit dem kochenden Wasser. Zweitens gibt es die innere Ursache, meist angesammeltes Karma und die latente Wirkung. Ist ein Mensch zum Beispiel von Natur aus ängstlich, werden alle Auswirkungen in seinem Leben von Angst gesteuert, auch wenn man das nicht sehen kann. Die beiden Formen von Ursache und Wirkung sind aber miteinander verknüpft. Das heißt: Unser
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