Mein Weg mit Buddha
Aber das ist für mich inzwischen längst Geschichte.
Doch erst mal kam Bochum. Wo alles begann. Ich war zurück in heimischen Gefilden, überhaupt endlich wieder einmal in Deutschland. Deutschland … hatte ich hier nicht etwas vor? Wollte ich nicht etwas finden, das es nur hier gab? Jawohl! Ich konnte es kaum abwarten, die Premiere des Stücks hinter mich zu bringen, damit ich mich tagsüber frei bewegen konnte.
Ich machte mich also auf die Suche nach dem Herausgeber des kleinen grünen Heftchens. Irgendwie musste ich doch verdammt nochmal an Literatur in Deutsch kommen. Erst lesen und verstehen, dann chanten, war mein Motto.
Mein erster Weg führte mich zum Hauptpostamt. Stundenlang wälzte ich die fetten, eklig abgegriffenen Telefonbücher, doch weder Nummer noch irgendeine Art von Adresse war herauszukriegen. Also fuhr ich in diesen Ort namens Mörfelden-Walldorf, der im Impressum angegeben war und von dem ich noch nie gehört hatte. Was heißt ich fuhr hin? Ich startete einfach los, in der Hoffnung, dort zu landen, wo ich hinwollte.
Wer diese Ecke im Süden von Frankfurt kennt, weiß vermutlich, dass man sich dort stundenlang herrlich verfahren kann. Das Navi war ebenfalls noch nicht erfunden worden. Und der Autoatlas informierte mich, dass es mindestens vier Orte mit fast gleicher Schreibweise gab. Puh! Gleich zu Beginn schon ein ganz schönes Hindernis! Aber ich gab nicht auf. Ich war entschlossen, mein Ziel zu erreichen und mich nicht von Schwierigkeiten besiegen zu lassen!
Und ich erreichte mein Ziel. Ich parkte meinen Wagen in einer unspektakulären Straße in diesem Ort, der kaum mehr als ein Industriegebiet war, vor dem deutschen »Headquarter« der Soka Gakkai (SGI-D). Ich wurde superfreundlich empfangen und obwohl die »Boutique« eigentlich schon geschlossen hatte, ließ man mir Zeit, mich umzuschauen, und beantwortete meine Fragen. Mit gefühlten 10 Kilogramm Büchern, Broschüren und Zeitschriften – sowie einem »Gongyo«-Buch, das Textheft für die morgendliche und abendliche Zeremonie – und jeder Menge herzlicher Ermutigungen im Gepäck gelangte ich an diesem Freitagnachmittag tatsächlich ohne allzu große Schwierigkeiten über den Kölner Ring und die ausnahmsweise mal gar nicht böse A 40 und war pünktlich um 19 Uhr im Theater. Es sollte einfach so sein. Ich war beschützt. Vom Gesetz des Universums. Hey, Anja! Nutzen! Positiver Nutzen! Super Ursache – meine Entschlossenheit – super Wirkung: Das ganze Unternehmen hatte bestens geklappt! Keine Hindernisse.
Noch nicht, denn mit dem Wichtigsten von allem, das eine Veränderung nach sich ziehen würde, nämlich dem Chanten, hatte ich ja noch nicht angefangen.
Die nächsten Wochen waren dem Studium gewidmet. Ich bekam schon glasige Augen vom vielen Lesen. Zuerst widmete ich mich dem Buch Die menschliche Revolution , das im weitesten Sinne die Geschichte der Soka Gakkai beschreibt. Einfach spannend. Dann studierte ich die Gosho genannten Schriften von Nichiren Daishonin, eine Sammlung von Briefen, die meist Ermutigungen an die Menschen in seiner Welt enthalten. Eine nicht ganz unkomplizierte Lektüre, jedoch so voller Liebe und Wahrheit. Anschließend las ich die Niederschriften von Gesprächen, die Daisaku Ikeda, der Präsident der Soka Gakkai, mit Wissenschaftlern oder Staatsmännern geführt hatte und deren thematischer Schwerpunkt auf dem Frieden durch Dialog lag. Was für ein unglaublicher Mann, dieser Ikeda!
Indem ich tiefer in die Lehre eintauchte, erfuhr ich auch von solch widerlichen Tatsachen wie den »Drei Giften«, die uns in Form von Gier, Ärger und Dummheit daran hindern, unser Potenzial als Mensch voll zu entwickeln. Oder von den »Drei Hindernissen und Vier Teufeln«. Das klingt fast katholisch, ist aber ganz anders gemeint. Unter »Hindernissen« sind erstens die Faktoren zu verstehen, die uns von innen heraus bremsen und die aus den »Drei Giften« bestehen. Zweitens werden damit die Schwierigkeiten beschrieben, die aus unserer unmittelbaren Umgebung, also zum Beispiel aus dem Zusammenleben mit dem Partner oder der Familie, erwachsen. Drittens sind damit die Bremsklötze in Form von Autoritäten, Chefs, Eltern oder dem Staat gemeint. Die »Teufel« darf man sich übrigens nicht als Personen vorstellen. Im Buddhismus bedeuten »Teufel« destruktive Kräfte, die uns daran hindern wollen, gute Ursachen für unser Karma zu setzen, und uns dazu verleiten, ja schön weiter in der Suppe unserer Illusionen zu schwimmen.
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