Mein Weg mit Buddha
gegen jede Art von Anästhetika hatte. Eines Tages bekam er schreckliche Bauchschmerzen und musste ins Krankenhaus eingeliefert werden. Dort stellte man einen Blinddarmdurchbruch fest. Der Junge musste sofort operiert werden. Seine Mutter war mit im OP und hielt seine Hand, während der Chirurg den ersten Schnitt machte. Ohne Narkose. Der Kleine weinte und schrie, nicht nur wegen der unerträglichen Schmerzen, sondern auch aus der Verzweiflung heraus, warum seine Mutter es zuließ, dass er so sehr leiden musste. Seine Mutter wusste, dass er ohne diese Operation sterben würde, aber sie wusste auch, dass ihm eine Narkose ebenfalls das Leben kosten würde. Sie sah das »große Ganze«. Ihrem kleinen Sohn war das nicht möglich.
Zur damaligen Zeit besaß ich diese umfangreichen Erkenntnisse noch nicht. Ich war naiv, ein kleines bisschen informiert, hoch motiviert, guten Mutes, voller Elan, im Anfangsfieber meiner buddhistischen Praxis …
Und da war er auch schon, der heiß ersehnte, ultimativ positive Nutzen. Er hatte nicht lange auf sich warten lassen. Er präsentierte sich in Form eines absolut genialen Rollenangebots: Winnetous Schwester Nscho-tschi auf der Riesenbühne der Wiener Stadthalle. Es war eine Rolle, wie man sie sich immer wünscht: hochemotional, actionreich und mit einer dramatischen Sterbeszene im letzten Akt (für Schauspieler immer ein gefundenes Fressen!). Winnetou … Eine Reise zurück in die Geschichten meiner Kindheit, wunderbar. Und noch dazu mit einer geradezu astronomischen Gage!
Ich freute mich, wieder in Wien zu sein, auch wenn ich die Stadt nur zum Schnell-mal-ein-paar-Stunden-schlafen sah. Ich war glücklich und sorglos wie ein kleines Kind. Ich tauchte ein in eine fremde Welt und lebte gewissermaßen in diesem glückseligen »Paralleluniversum« des Herrn Karl May wie Peter Pan in Neverland. Die Probenzeiten waren hart. Sie begannen pünktlich um acht Uhr morgens mit der Versorgung der Pferde und endeten nie vor zwei Uhr früh. Der Riesenturm gesponserter Red-Bull-Dosen im Produktionsbüro nahm merklich ab. Die Flügel hatte ich in dieser Zeit aber auch ohne das Gummibärchen-Getränk aus der silberblauen Dose – denn eine andere Energie hielt mich inzwischen wach …
Eines schönen Probentages hörte ich einen mir bekannten, ja inzwischen sehr vertrauten Satz aus der Garderobe nebenan. Der lustige kleine Sam Hawkens, wer hätte das gedacht!
Mein Wunsch war in Erfüllung gegangen! Jetzt konnte es richtig losgehen! Ich lernte das Gongyo und hatte jemanden an meiner Seite, mit dem ich mich austauschen, von dem ich lernen und dem ich Löcher in den Bauch fragen konnte: L.
Vieles, was ich heute weiß, habe ich von ihm. Ich bin unendlich dankbar, dass mir das Leben einen Menschen geschenkt hat, der mich ein so großes Stück weitergebracht hat, der mit einer Engelsgeduld, wann immer mein Weg ins Stocken geriet oder die Seele auf Halbmast hing, für mich da war. Tag und Nacht! Die Begegnung mit ihm war einer der größten Nutzen der ersten Tage meiner »menschlichen Revolution«. Und der effektivste Beweis von der Gleichzeitigkeit von Ursache und Wirkung!
Kaum angefangen, ging es aber dann auch gleich richtig los mit den Auswirkungen der von mir durch fleißiges Chanten gesetzten Ursachen. Es prasselte de facto auf mich nieder.
Zum Ersten: Menschlich und künstlerisch war die Wiener Winnetou -Produktion zwar der Himmel auf Erden, finanziell jedoch ein Desaster. Kurz: Niemand bekam seine Gage. Hilfe! Was hatte ich da für eine Lawine losgetreten?
»Du musst das so verstehen«, sagte mein Mentor-Freund L., den die Katastrophe nebenbei bemerkt ja auch betraf. »Es ist ganz normal, dass die Dinge sich am Anfang scheinbar verschlechtern. Du kennst das ja sicher auch von bestimmten Medikamenten: Erst mal verschlimmern sich die Symptome der Krankheit, nicht wahr? Indem wir chanten, verwandeln wir Gift in Medizin. Wir reinigen unsere Sinne, erhöhen unseren Lebenszustand und nehmen somit das Leben durch eine bessere, klarere ›Brille‹ wahr.«
»Das heißt, der Buddha in uns wird wach.«
»Genau. Aber da liegt auch das – scheinbare – Problem.«
»Wieso?«
»Stell dir vor, du hast die meiste Zeit deines Lebens auf einem Bahnhofsklo verbracht. Irgendwann gewöhnt man sich an den Gestank und nimmt ihn nicht mehr wahr. Durch das Chanten schärfen wir unsere Sinne, unser Lebenszustand verändert sich und plötzlich nehmen wir unsere Umgebung wieder so wahr, wie sie ist. Es stinkt zum
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