Mein Weg mit Buddha
Das ist aber nur eine subjektive Wahrnehmung. Denn was habe ich gelernt? Die Probleme sind immer schon da gewesen. Mit dem aktiven Chanten hatte ich sie lediglich in meinem Leben sichtbar gemacht. Ich habe das Glas umgerührt. Und das habe ich selbst getan. Ich allein. Ich kann niemanden dafür verantwortlich machen.
Das klingt jetzt ganz schön weise und abgeklärt. Sicher, vom heutigen Standpunkt aus betrachtet. Ich gebe zu, dass ich damals ganz schön irritiert war. Was war denn nun mit all den Geschichten vom positiven Nutzen?
L. runzelte angesichts meiner Frage die Stirn und meinte, dass ich da wohl etwas nicht ganz richtig verstanden hätte. »Wenn Bedürfnisse erfüllt werden, dann sieht das zwar am Anfang ganz nett aus und man freut sich auch darüber, aber eigentlich geht es darum nicht. Wünsche gehören zwar zu unserem Leben dazu, aber wir müssen uns davon unabhängig machen.«
»Wie soll ich das verstehen? Wünsche ja oder nein?«
»Begierden sind Erleuchtung«, schreibt Nichiren Daishonin.«
Wie bitte? Der hat sie wohl nicht alle! Stopp. Einmal kurz Luft holen, ich verstehe schon. Das bezieht sich auf den »Mittleren Weg«, auf die Einheit von Körper und Geist. Es ist das Bild mit dem Kutscher, der die beiden Pferde im Gleichtakt halten muss.
»Es geht darum«, fügte L. mit Nachdruck hinzu, »die Dinge des alltäglichen Lebens als Motor für seine Entwicklung zu verwenden, sich seiner Lebenszustände bewusst zu sein, sie zu benutzen oder sie zu verändern! Man muss Prioritäten setzen und sich damit befassen, was im Buddhismus wirkliches Glück bedeutet, und zwar nicht irgendwann irgendwo ›da drüben‹ in einem ›Nirwana-Himmel-Ewige-Jagdgründe-Paradies‹, sondern im Hier und Jetzt. Jawohl! Deswegen praktiziere ich diesen Buddhismus des Alltags. Transzendentaler Schnickschnack ist kein Thema für mich!« L. hatte sich in Rage geredet.
Die Zehn Welten
Nun ist es aber endlich an der Zeit, die »Zehn Welten« oder »Zehn Lebenszustände« genauer unter die Lupe zu nehmen. Dazu eine kleine Geschichte.
Es ist ein herrlich klarer Wintermorgen. Der Himmel über Paris strahlt blitzeblau und die hellgrünen Dächer rekeln sich in der Sonne. Mein zukünftiger Ehemann hat Croissants geholt und sogar den Figaro mitgebracht (»Ist besser für dein Französisch als die Vogue! «). Er macht sich zur Arbeit auf und ich tauche meine heiß geliebten Croissants in den Kaffee und verschlinge sie wie ein Raubtier seine Beute. Soooo ungesund, aber sooooo gut! Nebenbei lese ich den Figaro . Das geht schon viel besser als noch vor ein paar Monaten, sogar den Politik- und Wirtschaftsseiten kann ich langsam ganz gut folgen. Stimmt schon: Es ist für mich weitaus sinnvoller, den Figaro zu lesen als Vogue und Marie Claire . Obwohl man beim Essen ja eigentlich gar nicht lesen sollte … Die Türklingel stört mein gemütliches Frühstück empfindlich. Merde! Schon wieder diese blöde Kuh von Vermieterin. Was gibt’s denn diesmal zu meckern? Mein Fahrrad steht heute garantiert nicht im Hausflur. Im Januar! Um Gottes willen, die will doch nicht schon wieder diese »charge commun« abkassieren, diesen völlig undurchsichtigen, ständig erneut zu zahlenden Nebenkostenbeitrag? Raubrittertum! Adieu, ihr schönen High Heels von Louboutin! Doch, oh Wunder, alles nicht so schlimm: Die Herrin des Hauses ist bloß erschienen, um mir mitzuteilen, dass in fünf Minuten für den Rest des Tages das Wasser abgestellt würde. Morgen geh ich die Louboutins kaufen! Aber das mit dem Wasser hat Madame Vermieterin bestimmt schon gestern gewusst. La salope – das Miststück! Ich knalle ihr die Tür vor der Nase zu und mache einen Hechtsprung unter die Dusche. Herrlich, dieses neue Duschgel von Monsieur. Wie ein Bad in einer Kokosnuss! Das Wasser reicht gerade noch aus, wenn auch ohne Haare waschen. Egal. Dann klingelt das Telefon. Splitternackt sprinte ich aus dem Bad ins Wohnzimmer. Es ist mein Freund L. aus Wien. Wir hatten ihn eingeladen und ich sollte ihn eigentlich gleich vom Flughafen abholen. Doch leider schlechte Nachrichten: die blöde Air France ist mal wieder im Streik. Ich bin stinksauer. Ich hatte mich so gefreut! Doch L. erinnert mich daran, dass seine Freundin ja bei Austrian Airlines arbeitet, und die könne für ihn bestimmt etwas deichseln. Na schön … Erst jetzt fällt mir auf, dass ich gar nichts anhabe. Ach so, deswegen ist mir so kalt. Brrr … schnell anziehen – den nigelnagelneuen wunderschönen
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