Mein Weg mit Buddha
kann, wenn die Dinge sich auch nur ein klein wenig ändern – oder man sich daran gewöhnt hat. Darüber muss man sich im Klaren sein, denn unzerstörbares Glück erhält man nicht durch die Befriedigung von Instinkten oder Begierden.
Die vorübergehende Freude fungiert jedoch als Benzin für den Motor unserer Lebenskraft. Das dauerhafteste »vorübergehende« Glück ist die Freude über ein erfülltes, kreatives Leben und darüber, dass man lernt, wächst und sich entwickelt.
Das, was uns primär glücklich macht, ist nicht unbedingt das, was unserem wahren Glück entspricht. Das zu verinnerlichen ist aber meiner Meinung nach eine Lebensaufgabe, denn wir Menschen sind nun einmal so gestrickt, dass wir nur das als Glück erachten, was manifest erscheint, wenn bestimmte Umstände erfüllt sind. Das können ein guter Job, ein toller Partner, Geld, ein Haus, ein Auto oder was auch immer sein.
Verschwinden diese Dinge, ist auch das Glück nicht mehr da. Es ist also »vorübergehend«. Beginnt man jedoch mit der buddhistischen Praxis, fängt man an, seine Buddhanatur zu erwecken – und darin liegt das unzerstörbare Glück: Zufrieden und glücklich zu sein, und zwar grund- und bedingungslos, sich wirklich im Einklang mit dem Universum zu befinden, eins zu sein mit seiner Umgebung, ohne dass irgendwelche speziellen Wünsche erfüllt worden sind. Dieses Glück kann einem niemand nehmen. Es zu erlangen, ist nicht leicht, noch dazu, weil der Weg manchmal widersinnig erscheint, wenn die Dinge sich so entwickeln, wie es im eigenen Lebensplan nicht vorgesehen war. Und trotzdem muss man sich rückblickend eingestehen, dass die Entwicklungen genau richtig waren und uns zu den Menschen gemacht haben, die wir wirklich sind.
Ich erinnere mich an die Erfahrung eines gewissen Alain, ich glaube, so hieß er, die ich bei einer der ersten Versammlungen in Paris hörte. Alain war ein spießiger kleiner Banker mit gutem Auskommen gewesen. Er war verheiratet und hatte zwei Kinder, seine Frau stammte aus einer der angesehensten Familien der Stadt. Alains Alltag war geregelt, beruflich wie privat. So ein bisschen wie bei Mary Poppins , fällt mir gerade ein. Der überkorrekte Banker-Vater macht in dem Film ja auch eine beträchtliche Wandlung durch. Alains wahre Geschichte ist weit weniger lustig. Trotz seines sorgenfreien Lebens fühlte sich Alain unzufrieden, unerfüllt und gelangweilt. Vermutlich begann er deshalb mit dem Chanten. Kurz darauf gab es Umstrukturierungen in der Bank und er wurde trotz guter Beziehungen zu den oberen Kreisen wegrationalisiert. Er verlor den Boden unter den Füßen und begann zu trinken. Das Geld wurde knapp und wie zu erwarten war, verließ ihn seine Frau mitsamt den Kindern. Alain hielt dennoch an der buddhistischen Praxis fest. Er verbrachte einige Jahre seines Lebens unter den Seine-Brücken und im Winter in den Métro-Stationen. In dieser Zeit fing er an zu malen. Kreide auf Pflaster, Farbe auf Papier, wozu das erbettelte Geld gerade reichte. Dann verkaufte er seine Arbeiten an Touristen am Montmartre. Ein Anfang. Irgendwann war er in der Lage, sich ein kleines Atelier einzurichten. Er fand einen Galeristen, der ihn vermarktete, und er fand eine neue Frau, übrigens ebenfalls Mitglied der Soka Gakkai. Alain kann seit Langem von seiner Kunst leben, und das gar nicht mal schlecht. Den Touristen ist er inzwischen zu teuer – ich könnte mir seine Bilder gerade noch leisten. Ich erinnere mich an Alain als einen durch und durch glücklichen Menschen. Er war jemand, der in seinem Leben angekommen war und das tat, was er immer tun wollte: kreativ sein. Er hatte es nur nicht gewusst. Erst mit der buddhistischen Praxis hatte er seine Lebensumstände so verändert, dass dieses Leben möglich wurde.
Eine unglaublich ermutigende Geschichte! Auch wenn ich persönlich die Aussicht nicht wirklich verlockend fand, einige Jahre unter den Brücken von Paris zu schlafen, obwohl es dort – zumindest im Sommer – sehr romantische Plätze gibt.
Die vorübergehende Freude wird also bestimmt von unserer Sehnsucht nach Unvergänglichkeit, vom »Festhalten-Wollen« um jeden Preis. In jener Zeit in Paris wurde mir das Prinzip des »Lâcher prise«, des Loslassens dessen, was man festhält, eingeschärft. Ich konnte nichts damit anfangen – bis zu dem Zeitpunkt, an dem es für mich überlebensnotwendig wurde. Das war viele, viele Jahre später. Offenbar hat alles seine Zeit.
Die christliche Theorie vom »Himmelreich«,
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