Mein Weg mit Buddha
Gestalt, die es angenommen hat.«
»Oui, maître«, sage ich artig, »das haben wir gestern durchgenommen. Und ich habe es sogar verstanden!«
»Dis-donc! Tatsächlich? Aber Spaß beiseite: Die Dinge verändern nur ihre Form. Das Universum lebt ewig.«
»Woher weißt du das? Bist du dir da so sicher?«
»Beweise mir das Gegenteil. Mach die Augen auf in der Natur. Alles ist ein ewiger Kreislauf. Denk mal an den Kirschbaum vor unserem Haus. Wenn wir es nicht besser wüssten, würden wir jeden Winter sagen: Der Baum ist tot. Die Blüten sind aber trotzdem da, sie sind nur nicht sichtbar, weil die Umstände noch nicht passen. Im Frühjahr, wenn es wieder warm wird, können wir sie dann sehen. Alle Lebewesen sind Teil dieses Kreislaufes, wie verschieden sie auch sein mögen. Und was speziell uns Menschen betrifft: In diesem Fall nutzt ein anständig gelebtes Leben dem gesamten Universum.«
»Das heißt, wenn ich mir selbst etwas Gutes tun will, muss ich zum Beispiel nett zu dir sein!«
»Sei nicht so albern! Aber im Prinzip hast du recht. Doch was die individuelle Seele betrifft, die solltest du erst einmal vergessen. Im Buddhismus gibt es das nicht. Aber es gibt so was wie das »Wahre Wesen des Lebens«, wie Nichiren Daishonin es nennt.«
»Du sprichst von Entität?«
»Richtig. Aber das ist so ein komplizierter philosophischer Begriff. Wer versteht den schon? Nennen wir diese ›Entität‹ einfach das › Seiende‹ oder ›das, was immer ist‹. Die Entität des einzelnen Lebewesens ist sozusagen der immer und ewig bestehende ›Kern‹, in der Vergangenheit und in der Zukunft, in allen Existenzen, also auch in der Nichtexistenz, und – ganz wichtig: alle diese ›Entitäten‹ sind miteinander verbunden und somit Teil des großen Ganzen.«
»Das heißt, sie sind nicht individuell und unabhängig?«
»Nein. Niemand ist eine Insel …«
»John Donne. Ich weiß. Das ist ein schönes und sehr passendes Bild. Vor allem wenn man sich vorstellt, dass jemand am Meeresgrund den Stopfen rauszieht und das Wasser ablässt. Dann sieht man’s deutlich.«
»So kann man es natürlich auch sehen«, lacht mein Mann, »was aber noch nicht erklärt, wie dann die individuelle Persönlichkeit, also die ›Identität‹ entsteht.«
»Die ›Fünf Bestandteile‹?« frage ich. Darüber hatten wir doch gestern kurz gesprochen. »Bravo, Mademoiselle, gut aufgepasst!«, lobt mich mein »Meister«. »Und wenn die ›Fünf Bestandteile‹ zusammenkommen, entsteht ein menschliches Ich mit einer kurzfristigen ›Identität‹, die Aussehen und Charakter bestimmt. Natürlich verändern wir uns, wir werden älter …«
»… verlieren Haare und Zähne. Und kriegen Falten«, unterbreche ich.
»Du noch lange nicht«, kommt es wie aus der Pistole geschossen.
»Sehr lieb, dankeschön!«
»Avec plaisir. Oft verändern wir auch unseren Charakter, je nachdem, wie unsere Lebensumstände sind. Trotzdem bleibt das ›Wahre Wesen‹ gleich.«
»Das heißt, ich, Anja, bin ich und bist du?«
»Nicht ganz. Nur das, was unser Wesen ausmacht, verändert sich nicht. Das hat mit unserem Karma zu tun. Stell dir das einfach als genetisches Profil einer Lebensenergie vor.«
»Mon Dieu, das ist aber kompliziert!«
»Eigentlich nicht. Wenn wir wiedergeboren werden, zeigt sich die Veränderung von Aussehen und Charakter noch deutlicher. Aber das Karma, also das ›genetische Profil ‹ beziehungsweise unser ›Wahres Wesen‹ bleibt.«
»Stopp. Jetzt mal langsam zum Mitschreiben.«
»Pass auf«, lächelt mein Liebster, »ich glaube, ich habe da ein Beispiel, das dir gefallen wird. Denk mal an deinen eigenen Beruf. Du bist Schauspielerin. Jede Rolle, die du spielst, ist individuell. Das bist nicht du. Und doch wiederum du. Andererseits bist du es. Du passt dich der Rolle an und gibst ihr mit Make-up, Frisur, Kostüm und deiner Körperhaltung und Gestik ein ganz bestimmtes Profil, ein anderes Gesicht, eine andere Gestalt. Aber diese Figur, die du da spielst, ist nur so lange ›lebendig‹, wie du auf der Bühne stehst. Wenn du abgehst, sehen die Zuschauer sie nicht mehr. Sie ist quasi ›gestorben‹, sie befindet sich in der ›Nichtexistenz‹. Aber du selbst, das wahre Wesen dahinter, existierst weiter. Wieder ›sichtbar‹ wirst du allerdings erst, wenn du in einer Rolle auf der Bühne stehst.«
»Das ist ein Beispiel von Shakespeare, nicht von dir, du Scherzkeks. Warte, ich krieg’s sicher noch auf die Reihe …
»Die ganze Welt ist eine
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