Mein Weg mit Buddha
an zu chanten – und der Zauber ist gebrochen.«
»Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute …«
»Lass mich doch. Ich finde die Geschichte hübsch. Und sterben werden sie auf jeden Fall. Das ist ja der Sinn der Sache.«
Mein Mann und ich haben so oft herumgesponnen und uns Geschichten ausgedacht. Es ist schön, seine Kreativität mit jemandem zu teilen.
In Gedanken an dieses Wochenende in der Normandie spaziere ich nun – wieder einmal – am Wasser entlang und lasse die Vergangenheit Revue passieren. Ich blicke über den beinahe wellenlosen Bodensee und denke darüber nach, wie sehr sich mein Weltbild mittlerweile verändert hat. Trotz der Totensonntagsstimmung an diesem Spätnachmittag habe ich eine heitere Ruhe in mir. Ich habe das Leben und den Tod als Tatsache der universellen Wirklichkeit angenommen.
Trets
Ganz im Süden von Frankreich, zwischen Marseille und Aix-en-Provence, liegt am Fuße des Bergmassivs Mont Sainte Victoire das kleine Örtchen Trets. Schmucklose Häuser bilden enge Gässchen, in denen seit dem Mittelalter die Zeit stehen geblieben zu sein scheint. Auf dem Marktplatz wird sonntags Boule gespielt und am Abend des 14. Juli mit viel Tamtam die Fête Nationale gefeiert. Es gibt eine Bar, ein kleines Bistro mit Plastiksesseln auf der Straße und sogar ein »Schlösschen« im Graf-von-Monte-Christo-Stil, in dem meist Ausstellungen zeitgenössischer Künstler zu sehen sind. Am Ortsrand findet man die üblichen großen Supermärkte wie Champion und SuperU. Rund um Trets erstrecken sich die Weingüter der Côtes de Provence. Hier wachsen meine Rotwein-Favoriten! Die hügelige Landschaft im typisch provenzalischen Braungrün wird überragt von den majestätischen Felsplateaus des Mont Sainte Victoire, das bei Sonnenaufgang erst zartrosa und dann in hellen Blautönen schimmert, in der Mittagshitze silberweiß, fast blendend strahlt und sich bei Sonnenuntergang rotgolden färbt und in lilapurpurblau den Tag beendet. Der Mont Sainte Victoire war das Lieblingsmotiv des Malers Paul Cézanne. Eine ungeheure Kraft geht von diesem Berg aus. Das war wohl mit einer der Gründe, warum die Organisation Soka Gakkai beschlossen hatte, ihr internationales Kultur- und Studienzentrum in Trets, an der Schnittstelle zwischen Europa und Afrika, anzusiedeln.
Daisaku Ikeda sagt dazu Folgendes: »Wie dieser ›König der Felsen‹ wünsche ich mir, dass jeder Einzelne von Ihnen einen unerschütterlichen, felsenfesten Glauben besitzt, ich wünsche mir, dass Sie eine unzerstörbare Kette von wertvollen Menschen, die für den Weltfrieden arbeiten, schaffen, die mit dieser Bergkette und den Felsen vergleichbar sind. Das Studium, welches Sie hier abhalten, ermöglicht die Vertiefung unseres Glaubens und die Öffnung des Weges für einen dauerhaften Frieden …« 17
Ich muss gestehen, ich hatte ziemliches Herzklopfen, als der Bus, der einen Teil von uns Kursteilnehmern am Flughafen in Marseille aufgelesen hatte, in die von Pinien gesäumte Auffahrt zum Europazentrum einbog.
Trotz vieler Hindernisse hatte ich mich entschlossen, zum ersten Mal diesen Kurs zu besuchen und wie Alice eine Reise in das Wunderland hinter dem Spiegel zu unternehmen, eine Reise in mein eigenes, innerstes Selbst. Ich wollte versuchen, zusammen mit anderen das »Wahre Wesen des Lebens« zu begreifen. Nun war ich also tatsächlich in Trets und war gespannt, was mich hier erwartete. Ausgiebiges Studium, das war mir klar, und vermutlich würde es recht anspruchsvoll werden, weil dies ein »gemischter Europakurs« war, der Teilnehmer aus verschiedenen Ländern vereinte. Die Unterrichtssprachen waren Englisch und Französisch. Da ich keinen einzigen der Kursteilnehmer kannte, galt es für mich gleich zu Anfang, ein großes Hindernis zu überwinden: Ich »fremdel« gerne, soll heißen, Kontaktaufnahmen dauern bei mir etwas länger. Sicher war das eine Aufgabe, die ich vom Universum gestellt bekommen hatte – und lösen sollte.
Ich hatte längst verstanden, dass wir immer wieder Aufgaben gestellt kriegen, damit wir sie lösen. Schaffen wird das nicht oder laufen wir vor der Bewältigung davon, bekommen wir sie erneut präsentiert – wie ein Reste-Essen, das einfach nur auf einem frischen Teller angerichtet ist.
Wir stiegen aus dem Bus. Der Vorplatz flirrte in der Juli-Sonne bei gefühlten 52 Grad Celsius. In weiser Voraussicht hatte ich meine tropentauglichen weißen Leinenkleider eingepackt, die ich von nun an bei jedem Kurs
Weitere Kostenlose Bücher