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Mein Weg mit Buddha

Mein Weg mit Buddha

Titel: Mein Weg mit Buddha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Kruse
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in Trets tragen würde. Inzwischen war ich elf Mal dort, es ist in jedem Jahr für mich ein absoluter Muss-Termin. Allerdings war ich nie mehr so frei und unbelastet wie bei meiner allerersten Reise.
    Ein schlichter Holzbau im Stil einer Jugendherberge begrüßte mich. Alles war sehr einfach gehalten – klar, es war ja auch kein Luxusurlaub. Ich würde mit zwei fremden Mädels ein Zimmer teilen müssen. Ich wusste das natürlich alles vorher und hatte mich darauf eingestellt. Auch Handtücher und eigene Bettwäsche hatte ich mitgebracht. Man weiß ja nie. Die Räume waren alle sehr sauber, denn Putzen gehört zum »Abschiedsritual« eines jeden Kursteilnehmers. Ohne Widerrede. Und das gilt auch für die Männer.
    Nachdem ich mich in meiner Zimmerecke so gut es ging häuslich eingerichtet hatte, nutzte ich die bis zum offiziellen Beginn des Kurses verbleibende Zeit für einen Rundgang. Das Zentrum liegt auf einer Anhöhe mitten in einem Pinienhain, der sich nach Norden hin öffnet und den Blick auf das Tafelberg-ähnliche Massiv des Mont Sainte Victoire freigibt. Der gigantische Ausblick hat sich nach meinen zahlreichen Aufenthalten in Trets inzwischen fest auf meiner internen Festplatte eingebrannt. Parallel zum Berg ausgerichtet liegt die »Ikeda-Halle«. »Halle« ist wohl schwer untertrieben, denke ich, in Erinnerung an all die hässlichen Stadthallen, die auf Tourneen mitunter unsere Spielstätten sind. Als Laienorganisation findet die Soka Gakkai den säkularen Begriff »Tempel« nicht so passend. De facto sieht diese »Halle« aber so aus: mit ihrem flachen hellgrünen Dach, das an den Seiten abfällt, wie ein umgedrehtes Boot und auf zwei mächtigen Säulen ruht, die den Haupteingang flankieren.
    Als ich am Nachmittag zur Eröffnungszeremonie durch diesen Eingang schreite – ich verwende dieses Wort absichtlich, denn »gehen« scheint mir für diesen besonderen Moment an diesem besonderen Ort zu banal –, den schlichten Vorraum aus Glas, Beton und Holz durchquere und schließlich in den »Hauptversammlungsraum« gelange, verschlägt es mir den Atem. Ich kenne die Kulturzentren in Paris, Frankfurt und Wien (das dortige Zentrum war zu jener Zeit noch eher improvisiert und ziemlich klein). Auch in Rom bin ich gewesen. War mir Letzteres schon imposant erschienen – Trets übertrifft einfach alle Erwartungen. Auf der Bühne, fast so breit wie die eines Stadttheaters, thront ein riesiger, mit Gold ausgeschlagener und Ornamenten verzierter Butsudan. Darin hängt, in gigantischer Größe, der »Europa-Gohonson«. Ein paar Deckenstrahler verleihen dem Ganzen eine scheinbar »überirdische« Leuchtkraft.
    »Che bello!«, höre ich eine blondgefärbte Italienerin neben mir flüstern. Ein russisches Pärchen geht schnurstracks auf die Bühne zu, auf der in zwei Halbkreisen vor dem Gohonson circa 30 Stühle stehen. In der Mitte sitzt ein Mann mit schütterem Haar vor einem Mikrofon mit dem Rücken zum Eingang und chantet. Nach und nach gesellen sich die Kursteilnehmer dazu und fallen in den »Gesang« ein. Manche nehmen auf der Bühne Platz, manche unten im Saal ganz hinten. Wie es Schüler oft tun, denke ich und muss grinsen. Ja, auch ich wage mich nicht sehr weit vor und setze mich in eine der hinteren Reihen. »T’es la première fois à Trets?«, fragt eine leise Stimme in fließendem Französisch hinter mir. Ich nicke. Ja, ich bin zum ersten Mal hier. »Dann nichts wie rauf mit dir nach oben!«, sagt die Stimme, die zu der Frau gehört, die uns am Eingang so freundlich in Empfang genommen hatte, eine Japanerin, Ärztin in Paris, wie ich später erfahre, und die für den Kurs die Aufgabe übernommen hatte, uns 250 Menschen unter einen Hut zu bringen und für einen reibungslosen Ablauf zu sorgen. »Alle Neuen so nahe wie möglich zum Gohonson! In Zukunft wirst du nur noch dort sitzen, wenn du früh genug da bist«, zwinkert sie mir zu, »alors, vas-y! Aber denk nicht einmal im Traum daran, dass das ein Ehrenplatz ist! Wenn du vor den anderen sitzt, hast du die Aufgabe, ihre Gebete zum Gohonson zu unterstützen. Compris?« Diese Information war für mich zwar neu, aber einleuchtend. In der Organisation gibt es keine Hierarchien und Eitelkeiten, und wenn man doch einmal ein solches Verhalten an den Tag legt – kein Mensch ist unfehlbar –, wird dafür gechantet, es besiegen zu können. Die Aufgabe eines Leiters oder Verantwortlichen in unserer Organisation besteht nicht darin, den »Chef« zu spielen, sondern

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