Mein wildes Herz
war nur ein Mann?“, fragte Leif.
„Eigentlich waren es zwei, doch nur einer sprach mit mir. Er schien der Anführer zu sein.“
Der Professor stand von seinem Stuhl auf. „Wir müssen sofort nach der Polizei schicken.“
„Eigentlich hoffte ich, wir könnten die Sache auf andere Art erledigen“, meinte Corrie. „Die Polizei ist immer so beschäftigt, und ich kann den Beamten sowieso kaum Informationen geben.“ Mehr musste sie gar nicht sagen. Krista und ihr Vater wussten beide, wie sehr Corries Eltern ihre Arbeit in der Zeitung hassten. Wenn sie auch nur einen Moment lang glaubten, sie könnte in Gefahr sein …
„Vielleicht haben Sie recht“, sagte der Professor. „Doch ich möchte, dass man den Mann findet und mit ihm abrechnet. Ich werde Mr. Petersen einen Brief schreiben. Diese Sache muss ein für allemal ein Ende haben.“ Er ging zum Schreibtisch, nahm einen Federhalter und kritzelte eine Nachricht.
Leif sagte etwas auf Altnordisch zu seinem Bruder, und dieser nickte. Dann wandte sich Leif an Krista. „Solange du in Gefahr bist, reise ich nicht ab.“
„Es wird immer Leute geben, die mit dem, was wir drucken, nicht einverstanden sind, Leif. Es ist nicht notwendig, dass du bleibst.“
„Nicht alle, die nicht deiner Meinung sind, sind auch eine Bedrohung für dich. Ich bleibe, bis wir mehr wissen.“
Corrie hätte nicht sagen können, ob Krista erleichtert oder beunruhigt war darüber, dass Leif blieb. Vielleicht ein wenig von beidem …
„Bis Mr. Petersen sich mit der Sache befasst hat“, sagte sie zu Corrie, „werden wir keine Leitartikel mehr schreiben. Es hat keinen Sinn, unnötige Risiken einzugehen.“
„Das erscheint mir vernünftig“, erwiderte Corrie erleichtert.
„Morgen werde ich an meine Arbeit zurückkehren.“ Krista lächelte, doch ihre Augen blickten leer. „Ich kann mir vorstellen, dass es eine Menge für mich zu tun gibt.“
„Mehr als nur eine Menge“, stimmte Corrie ihr zu. Sie spürte, dass ihre Freundin, etwas tun musste – irgendetwas –, um nicht an Leif denken zu müssen. „Ich kann dir gar nicht sagen, wie glücklich ich bin, dass du wieder zu Hause bist.“
Leif verbrachte die Nacht in dem Stadtpalais und begleitete Corrie und Krista am folgenden Morgen zur Arbeit. Wieder wie ein Gentleman in dunkelgraue Hosen, hellgraue Kaschmirweste und dunkelblauen Rock mit Samtkragen gekleidet, hätte er im elegantesten Salon Londons eine gute Figur gemacht. Doch Krista würde sich immer an ihn in Wikingertracht erinnern, an den Mann, der er wirklich war.
Trotzdem war da noch diese andere Seite an ihm, die Krista genauso stark anzog: sein scharfer Verstand und sein Wissensdurst, sein Wunsch zu lernen, der ihn vor einiger Zeit an Englands Küste getrieben hatte.
Auf der Reise hierher hatte er, außer wenn er sich mit Thor unterhielt, immer nur Englisch gesprochen. Wahrscheinlich wollte er für seinen kurzen Aufenthalt in London seine Sprachkenntnisse auffrischen. Ansonsten verbrachte er einen guten Teil seiner Zeit mit seinem Bruder, lehrte ihn einige englische Wörter und vermittelte ihm eine Grundkenntnis der Gebräuche und Sitten.
Jetzt, wo sie in London waren, hatte Thor sich von Leif einige Kleidungsstücke geborgt. Meist war er mit Kristas Vater im Arbeitszimmer und vertiefte sich in eine von vielen Unterrichtsstunden, die auf ihn warteten. Wie Leif, hatten auch Thor der Anblick und die Geräusche der Stadt und die Art, wie die Menschen hier lebten, verblüfft. Er schien davon genauso fasziniert zu sein wie Leif und fast genauso fest entschlossen zu lernen. Thor und der Professor hatten sofort Freundschaft geschlossen, und Krista glaubte, dass Leifs Bruder gute Chancen hatte, in England bleiben zu können, wie er es sich wünschte.
Was sie selbst anging, so konnte sie nicht leugnen, dass es guttat, wieder zu Hause zu sein. Und es war richtig , hier zu sein, ganz gleich, wie sehr ihr auch das Herz beim Gedanken an Leifs baldige Abreise wehtat. Tief in ihrem Innern wusste sie es, auch wenn sie Leif nie vergessen und niemals einen anderen Mann so lieben würde wie ihn.
Um ihren Schmerz zu betäuben, stürzte sie sich in die Arbeit, ging früh ins Büro und blieb bis spät am Abend. Leif begleitete sie und Coralee am Morgen und holte sie jeden Abend mit der Kutsche ab. Nach dem Angriff auf Coralees Kutsche hatte er beschlossen, im Stadtpalais zu wohnen, auch wenn er sich sehr gut ein Hotel hätte leisten können.
Auch Thor wohnte hier. Captain Twig und
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