Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mein Wille geschehe

Mein Wille geschehe

Titel: Mein Wille geschehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Sloan
Vom Netzwerk:
mal
    fröstelnd, und darüber nachdachte, warum sie
    mit dem Leben davongekommen war und andere
    62

    nicht. Da war es schön zu wissen, dass ein
    Mensch in der Nähe war, der ihr nahe stand.
    Wach zu bleiben fiel ihr leichter, als zu schlafen.
    Wenn sie schlief, hatte sie Albträume, sah Grace
    Pauley ihr gegenübersitzen. Warum hatte der
    Tisch sie, Frances, geschützt, und nicht diese ar-me Frau, die so dringend Schutz brauchte? Fran-
    ces wusste, dass sie das schmale, von Leid ge-
    zeichnete Gesicht dieser zierlichen Frau nie mehr im Leben vergessen würde.
    Carl Gentry stellte recht bald fest, dass man mit einem gebrochenen Genick offenbar nicht
    zwangsläufig starb. »Ich dachte immer, man sei
    tot, wenn man sich das Genick bricht«, sagte der
    Wachmann eine Woche nach dem Anschlag zu
    dem Arzt im Swedish Hospital. »Manchmal ist das
    auch so«, antwortete der Arzt. »Aber es muss
    nicht so sein. Das hängt von der Art des Bruchs
    ab. Sie waren ja noch bei Bewusstsein.« Carls
    Oberkörper war auf einer Art Brett festgeschnallt, und unterhalb der Hüfte spürte er nichts mehr. Er hob die Hände und betastete vorsichtig etwas,
    das seinen Kopf und Hals umschloss wie ein al-
    tertümlicher Kragen. »Was ist denn das für ein
    Ding?«, fragte er.
    »Ein Folterinstrument«, antwortete der Arzt lä-
    chelnd. »Dieser Kragen verbindet Ihren Kopf mit
    Ihrem Hals und Ihren Hals mit Ihrer Wirbelsäu-
    le.«
    »Also, man kriegt jedenfalls scheußliche Kopf-
    63

    schmerzen davon.«
    Der Arzt nickte. »Daran wird sich auch in nächs-
    ter Zeit nichts ändern. Genießen Sie die Schmer-
    zen. Sie weisen daraufhin, dass nicht alle Nerven zerstört sind.« Carl sah den Arzt an. »Sagen Sie
    mir die Wahrheit, Doc. Werde ich wieder gehen
    können? Werde ich – werde ich wieder in Ord-
    nung kommen?«
    »Bis jetzt weist alles darauf hin, dass ich ein hervorragender Chirurg, beinahe eine Art Wunder-
    heiler bin«, antwortete der Arzt mit einem Au-
    genzwinkern, »und dass Sie meinem Ruf nicht
    schaden werden.« Die Unsicherheit im Gesicht
    seines Patienten entging ihm nicht. »Die Gefühl-
    losigkeit Ihrer Beine sollte irgendwann vorbei
    sein«, fügte er hinzu. »Wann das der Fall sein
    wird, können wir allerdings nicht vorhersagen,
    das muss ich einräumen. Es kann Monate dauern,
    bis Sie wieder in jeder Hinsicht funktionstüchtig sind, aber im Prinzip müsste dann alles so reagieren wie vorher. Doch vorerst müssen Sie mir ein-
    fach glauben und viel Geduld haben.«
    Der Wachmann seufzte erleichtert. »Danke«,
    sagte er etwas peinlich berührt. »Ich hab mir
    schon Sorgen gemacht, wissen Sie. Ich bin erst
    sechsundvierzig.«
    Vier Tage später huschte eine Besucherin in Carls Zimmer. Zuerst dachte er, die Frau wolle den
    Mann besuchen, der im Bett neben ihm lag. Doch
    dann trat sie zu ihm, und er roch ihr Parfüm. Als 64

    sie zu sprechen begann, erinnerte er sich. Es war die Frau, mit der er am Abend vor dem Anschlag
    zusammen gewesen war und an die er am nächs-
    ten Tag gedacht hatte, in dem Moment, in dem er
    von der Veranda geschleudert wurde.
    »Ich habe so lange gebraucht, um dich ausfindig
    zu machen«, sagte sie, halb verborgen hinter ei-
    nem riesigen Blumenstrauß. »Sonst wäre ich
    schon früher gekommen.«
    »Das freut mich aber«, sagte er. »Ich hab viel an dich gedacht, aber unter diesen Umständen, na
    ja, da war ich mir nicht sicher, ob du mich wirk-
    lich wieder sehen wolltest.«
    »Puh«, sagte sie mit einem erleichterten Seufzer, legte die Blumen auf den Nachttisch und sank auf
    einen Stuhl. »Weißt du, ich wäre mir echt blöd
    vorgekommen, wenn du dich nicht mehr an mich
    erinnert hättest.«
    Ein breites Lächeln trat auf Carls Gesicht. Seine Kopfschmerzen schienen wie weggeblasen, und
    er hätte schwören können, dass sich die untere
    Hälfte seines Körpers auch sehr lebendig anfühl-
    te.
    Joyce O’Mara hatte schwere Verletzungen. Die
    Arzte im Swedish Hospital waren zunächst nicht
    sicher, ob sie überleben würde. Sie entfernten
    eine Niere und eine Lunge, stabilisierten die Rippen und nähten die Aorta. Sie versuchten sämtli-
    che Ursachen für innere Blutungen auszuschlie-
    ßen, und achteten darauf, ob es Anzeichen für
    65

    Infektionen, Leberschäden oder Nierenversagen
    gab. »Wenn keine unvorhergesehenen Komplika-
    tionen eintreten, wird sie durchkommen«, konnte
    der Chefarzt schließlich berichten. »Aber sie hat wirklich Glück gehabt, das kann ich Ihnen sagen.«
    Donald

Weitere Kostenlose Bücher