Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mein Wille geschehe

Mein Wille geschehe

Titel: Mein Wille geschehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Sloan
Vom Netzwerk:
überdecken,
    doch sie ließ sich nicht täuschen – er hielt Abtreibung für ein Frauenthema und wollte es sich auf
    diesem Weg vom Hals schaffen. Sie lächelte in
    sich hinein. Auf dieser Ebene würde es ihr nicht
    schwer fallen, ihm den Fall wieder vor die Füße
    zu werfen.
    111

    10
    Corey Dean Latham wurde an einem dritten Sep-
    tember geboren, an dem es so heiß war, dass
    man in Cedar Falls in Iowa, einem malerischen
    kleinen Städtchen mitten im Land, einen neuen
    Rekord verzeichnete.
    Er hatte zwei Schwestern und war ein Nachzüg-
    ler, der elf Jahre nach der jüngeren Schwester
    auf die Welt kam. Geplant war er nicht, aber auch nicht unwillkommen. Sein Vater war Mathematik-professor und lehrte an der University of Iowa,
    nicht weit von ihrem Wohnort entfernt. Seine
    Mutter arbeitete in einer christlichen Vorschule.
    Corey war ein zufriedenes, selbstgenügsames
    Kind mit braunen Locken, leuchtend blauen Au-
    gen und einem Vorrat an unerschöpflicher Neu-
    gierde. Er liebte seine Familie, seinen Golden
    Retriever und sein Fahrrad, wenn auch nicht im-
    mer in dieser Reihenfolge.
    Als er in die Pubertät kam, hatte er einen klaren Sinn für Recht und Unrecht entwickelt, der ihm,
    in Verbindung mit seiner Überzeugung, dass man
    keinem Menschen etwas zu Leide tun sollte, den
    Respekt der Gleichaltrigen und auch der Älteren
    einbrachte. Als erwachsener Mann galt er dann
    als eine der eindrucksvollsten Persönlichkeiten,
    die es in der Gemeinde je gegeben hatte.
    Er war ein guter Läufer und Schauspieler und
    verbrachte viel Zeit auf der Bahn und auf der
    112

    Bühne. Im vorletzten Schuljahr an der Highschool
    wurde er Landesbester im Hundert-Meter-Lauf
    und spielte die Titelrolle in der Hamlet-
    Inszenierung der Schule.
    Dean und Barbara Latham hatten, ob bewusst
    oder unbewusst, die beiden Töchter dazu erzo-
    gen, jung zu heiraten, viele Kinder zu bekommen
    und in Iowa zu bleiben, den Sohn dagegen dazu,
    in die Ferne zu ziehen. »Die Welt da draußen ist
    groß und aufregend«, sagte Dean zu seinem
    Sohn, als der Junge im letzten Schuljahr war.
    »Schau sie dir erst mal gut an, und dann ent-
    scheide, was du machen willst mit deinem Le-
    ben.« Dabei hoffte er inständig, dass Corey sich
    nicht für ein Dasein als Schauspieler entscheiden würde, doch das sprach er nicht aus. Vielleicht
    hatten Corey seit jeher die Ozeane so fasziniert, weil Iowa nur von Land umgeben war. Mit dieser
    Begeisterung, einem für die amerikanische Mittel-
    schicht typischen ausgeprägten Pflichtgefühl und
    Nationalstolz, besten Noten und der Empfehlung
    eines Kongressabgeordneten trat er an der Mari-
    neakademie in Annapolis an.
    »Dies ist einer der begabtesten und herausra-
    gendsten jungen Männer, die mir in vielen Jahren
    begegnet sind«, schrieb der Kongressabgeordne-
    te in seinem Empfehlungsbrief. »Es ist mir eine
    Freude, ihn fördern zu dürfen, und ich bin über-
    zeugt, dass er sich selbst, seiner Familie und seinem Land zur Ehre gereichen wird.«
    113

    Corey war gerade achtzehn geworden. Er hielt
    sich zum ersten Mal in seinem Leben außerhalb
    des Bundesstaates auf, in dem er geboren war,
    und war nicht im Mindesten vorbereitet auf das,
    was ihn erwartete. Die unvermittelte Freiheit, die exzessiven Saufereien, deren Zeuge er wurde,
    leichter Zugang zu Drogen, Alkohol und Frauen,
    in Verbindung mit unerbittlichem Drill, einem
    starren sozialen Klassensystem und erbarmungs-
    losen Hänseleien, stellten seine Moral auf die
    Probe, untergruben seine Motivation und hatten
    verheerende Auswirkungen auf seine Leistungen.
    Für den sanften, ruhigen, behüteten Jungen aus
    Iowa war die physische und psychische Brutalität
    erschütternd. Er schnitt im ersten Semester als
    einer der Schlechtesten ab und hätte vermutlich
    alles abgebrochen, wenn er nicht mit einem sehr
    erfahrenen und verständnisvollen Kaplan zu tun
    gehabt hätte, der an der Akademie tätig war.
    Die Lathams waren grundanständige Menschen,
    die an traditionelle Werte glaubten. Corey war in einer liebevollen Atmosphäre aufgewachsen, die
    von Ethik, Disziplin und dem methodistischen
    Glauben geprägt war. Seine Religion war ebenso
    Teil seiner Persönlichkeit wie sein anziehendes
    Äußeres, seine sportliche Gestalt oder sein Sinn
    für Humor. Monatelang traf sich der Kaplan täg-
    lich mit dem jungen Mann, versuchte, ihm Stabi-
    lität zu geben, und ermutigte ihn durchzuhalten.
    Er berichtete ihm, wie andere Neulinge in dieser
    114

    Situation

Weitere Kostenlose Bücher