Mein Wille geschehe
zurechtgekommen waren. Corey hörte
sich alles an und nahm es in sich auf. Am Jahres-
ende hatte er wieder zu sich gefunden, und es
gelang ihm, sich besser abzugrenzen. Als er an
der Akademie seinen Abschluss machte, war er
einer der Besten aus seiner Klasse. Für seine
Ausbildung schuldete Fähnrich Latham der Marine
nun die nächsten fünf Jahre seines Lebens. Die
ersten vierundzwanzig Monate davon wurde er
auf einer Schule in Orlando in Florida über Atom-
waffen unterrichtet. Danach wurde er nach
Charleston in South Carolina versetzt, wo man
ihn sechsundzwanzig Wochen den Umgang mit
neuen Atomwaffen lehrte. Danach erhielt er in
Groton in Connecticut dreizehn Wochen lang eine
Grundausbildung als U-Boot-Offizier. Er arbeitete überall fleißig, und man war mit ihm zufrieden.
Schließlich versetzte man ihn zur Belohnung nach
Subase Bangor bei Bremerton in Washington, wo
er der Mannschaft eines Trident-U-Boots, der USS
Henry M. Jackson, zugeteilt wurde. Seine erste
Patrouille, die Mitte August begann, geriet zu einem Desaster. Achtundsechzig Tage lang war er
in eine stählerne Festung gesperrt, ohne einen
einzigen Sonnenstrahl, ohne Intimsphäre und
frische Luft, musste die ständigen Schikanen ei-
nes neurotischen Schiffsingenieurs erdulden,
fürchtete sich, dass ein Feuer ausbrechen oder
ein Leck entstehen könnte, und tat kein Auge
mehr zu, weil er Seite an Seite mit Atomwaffen
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leben musste. Ende Oktober kehrte er käsebleich
und mit Magenbeschwerden nach Bangor zurück.
Er hatte zwölf Pfund abgenommen und war um
zehn Jahre gealtert.
»Ich habe die Hölle gesehen«, sagte er zu seinem
Zimmergenossen, der schon zweimal auf Patrouil-
le gewesen war. Der lachte. »Dagegen gibt’s nur
ein Mittel«, erwiderte er. »Geh ne Runde bum-
sen.«
In den letzten Jahren war Corey gelegentlich mit
Mädchen ausgegangen; kultivierten jungen Frau-
en aus guten Familien, mit denen er angenehme
Abende verbracht und bestenfalls einen Kuss
ausgetauscht hatte. In der Kirche, in deren Glau-
ben Corey erzogen worden war, galt Ge-
schlechtsverkehr vor der Ehe als unerwünscht.
Seine Eltern waren beide mit zweiundzwanzig
ohne sexuelle Erfahrungen in ihre Hochzeitsnacht
gegangen. Auch die beiden Töchter, von denen
die eine mit neunzehn, die andere mit zwanzig
Jahren heiratete, waren bei ihrer Hochzeit noch
Jungfrau. Und Corey, der Sohn, hatte mit vier-
undzwanzig noch keinerlei geschlechtliche Erfah-
rung.
Sein Zimmergenosse, Zach Miller, fuhr mit ihm
nach Seattle, wo sie in Belltown, einem Viertel, in dem vor allem gut situierte Singles verkehrten,
durch die Bars zogen. Corey lernte rasch hinter-
einander drei Mädchen kennen, die sowohl
hübsch als auch verfügbar waren, und jede von
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ihnen hätte ihn mit sich genommen, als er sie
nach Hause brachte. Doch jedes Mal lud er sie
zum Essen ein, ging mit ihnen ins Kino oder in
ein Konzert oder zu einer Sportveranstaltung und
verabschiedete sich an der Tür. Er legte keinen
Wert auf ein Mädchen, das so wenig auf sich
hielt, dass es bei der ersten Verabredung mit ihm ins Bett gehen wollte. »Was ist los mit dir?«,
fragte sein Zimmergenosse. »Ich hoffe, nichts«,
antwortete Corey.
Zach schlief in den Monaten zwischen seinen Pa-
trouillen meist mindestens mit sechs Mädchen.
Doch Corey fand, dass er sich benahm, als trinke
er aus einer Papptasse, die er hinterher wegwarf.
Er wusste nicht, wie er Zach begreiflich machen
sollte, dass er nur eine einzige Tasse haben woll-te. Sie sollte sauber, wieder verwendbar und aus
feinstem Porzellan sein.
»Ich will doch probieren, bevor ich mich auf einen Kauf einlasse«, sagte Zach. »Man will doch nicht
sein ganzes Leben mit jemandem verbringen, mit
dem man sich im Bett nicht versteht.«
Aber für Corey war Sex ohne Liebe wie eine Kir-
che ohne Gott. Er wusste, wie lang ein Leben
war, und hatte keine Eile.
Drei Wochen später lernte er Elise Ethridge ken-
nen, und seine Welt geriet ins Taumeln.
»Hi«, sagte sie, als sie am Tresen einer Edelbar
in Belltown zu ihm trat. Sie war groß und
schlank, und ihr Haar schimmerte golden. »Was
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macht ein Bursche wie Sie in so einem Loch?«
»Mannometer«, sagte er, bevor er sich Einhalt
gebieten konnte, »ich dachte immer, so reden die
Leute nur im Film.« Ihr Lachen war dunkel und
kehlig. »Naja, ich hab Ihre Uniform gesehen, da
konnte ich nicht widerstehen. Ich bin Elise.«
»Ich heiße Corey«, antwortete er
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