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Mein wirst du sein

Mein wirst du sein

Titel: Mein wirst du sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Rodeit
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ruhig sagen können, dass es eine Frau ist.«
    Ich grinste. »Das wäre doch langweilig gewesen. Dann hätte ich mich auch gleich von der Zeitung bezahlen lassen können.«
    »Eben nicht, du hättest den Artikel nicht schreiben können.«
    »Okay, da hast du recht. Ist dir übrigens gut gelungen, die Mischung aus Einfühlsamkeit und Berichterstattung. Das können nicht viele.«
    »Danke.«
    Wir aßen unser Eis und sahen dem bunten Treiben am Ufer zu.
    »Sag mal«, brach Jens schließlich das Schweigen, und ich sah ihn an. Das Eis war aufgegessen, und nun saß ich träge in der Sonne und genoss die warmen Strahlen auf meiner Haut und die angenehme Begleitung. »Was macht der Bagger da?«
    »Die Donau ausbaggern.«
    »Ach ne, tatsächlich? Das sehe ich auch. Ich meine, warum?«
    Veralberte er mich?
    »Du liest wohl deine eigene Zeitung nicht, oder?«
    Sein Blick drückte Verständnislosigkeit aus.
    »Heute Morgen ist ein Artikel über das Fischerstechen erschienen.«
    »Worüber? Ehrlich, ich weiß nicht, wovon du sprichst. Davon habe ich noch nie gehört.«
    »Wo kommst du eigentlich her?«
    Es dauerte, ehe er antwortete.
    »Von hier und da«, antwortete er schließlich, und ich bohrte nicht weiter. Auch er schien Geheimnisse zu haben. Das überraschte mich. Und auch er wollte sie nicht ausbreiten. Ähnelten wir uns? Fast hatte es den Anschein. »Ich bin viel herumgekommen, war aber größtenteils in Süddeutschland.«
    Das erklärte, warum man ihm nicht unbedingt anhörte, dass er kein Ulmer war. Zwar vermisste ich den schwäbischen Dialekt, aber sein Hochdeutsch war kein reines. Einheimische Redewendungen schwangen ebenso mit wie das eine oder andere schwäbische Wort.
    Ich war sensibel genug, nicht nachzufragen. Was ich von anderen forderte, galt auch für mich.
    »Das bringt mein Beruf so mit sich«, fügte Jens erklärend hinzu.
    »Okay, kein Problem. Das Fischerstechen ist eine Ulmer Tradition und findet alle vier Jahre statt. Es ist ein alter Fischerbrauch und funktioniert wie ein Ritterkampf. Nur eben ohne Pferde. Stattdessen stehen sich die Kontrahenten in kleinen, schmalen Booten gegenüber, die Zillen genannt werden. Eines startet am Ulmer Ufer, das andere am Neu-Ulmer. Die fahren aufeinander zu und versuchen, sich gegenseitig vom Boot zu stechen und in die Donau zu schubsen. Die Stecher sind Weißfischer, aber auch einige traditionelle Gestalten, wie zum Beispiel die Narren, Bauer und Bäuerin oder die Schwanenwirtin. Und natürlich geschichtliche Figuren, wie der König von Bayern oder der Graf von Württemberg. Ist ganz witzig zum Zuschauen und findet nicht jedes Jahr statt, ist also etwas Besonderes. Dieses Jahr ist es wieder so weit. Und heute Morgen ist in der ›Südwest Presse‹ ein Artikel erschienen, dass die Donau ausgebaggert werden muss, damit Fahrrinnen für die Zillen entstehen. Sonst wäre es für die Stecher, die in die Donau fallen, nicht tief genug. Nebenbei wird die Donau alle paar Jahre sowieso ausgebaggert, wegen all dem Kies, der sich dort sammelt.«
    »Interessant. Habe ich nicht gelesen, den Artikel.«
    »Wirklich?«
    »Du kannst mir ruhig glauben«, beteuerte Jens. »Ich finde es nicht so spannend, was in der Zeitung steht. Ausgenommen, was ich schreibe.« Er lachte und fuhr sich mit der Hand durch das Haar. »Ernsthaft, ich lese kaum Zeitung. Ich sehe lieber Nachrichten.«
    Ich fiel in sein Lachen ein.
    »Ich wohne erst seit knapp einem Jahr in Ulm und war davor in Reutlingen.«
    Langsam wanderten wir zurück, und Jens verabschiedete sich, weil er noch zu arbeiten hatte.

    Zu Hause bot sich mir ein bereits vertrauter Anblick, und ich seufzte. Mark saß nach vorn gebeugt auf der obersten Treppenstufe und sah mich verärgert an. Augenblicklich verschwand die Hochstimmung.
    »Hast du kein Zuhause?«
    »Wo warst du?«
    »Das geht dich nichts an«, antwortete ich und schloss die Tür auf. Ich hatte keine Lust, mir den schönen Nachmittag von einem grantigen Mark verderben zu lassen.
    Er betrat die Wohnung hinter mir.
    »Das geht mich wohl etwas an. Wir suchen einen Serienmörder.«
    Ich hielt in der Bewegung inne und drehte mich zu ihm um. Mark stand dicht hinter mir, und ich prallte gegen seinen Brustkorb und schnappte nach Luft. Ob wegen der Information, der peinlichen Situation oder dem Déjà-vu konnte ich selbst nicht sagen. Vielleicht lag es auch an seinem Aftershave, mit dem Erinnerungen verbunden waren.
    Ich räusperte mich, drehte mich um und ging in die Küche. Ich konnte

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