Mein zärtlicher Ritter: Roman (German Edition)
Sein kurzes, bronzefarbenes Haar war noch feucht gewesen, und er wirkte frisch rasiert. Ohne das ganze Blut und den Dreck war er ein attraktiver Mann. Er hatte ein ausdrucksstarkes Gesicht mit breiten Wangenknochen, einem großen Mund und harten, bernsteinfarbenen Augen. Er war groß und gut gebaut, eine eindrucksvolle Erscheinung, und wirkte viel älter, als er wahrscheinlich war.
Aye, er war ein attraktiver Mann. Ein sehr attraktiver Mann.
Er trug eine waldgrüne Tunika, die ihm bis zu den Knien reichte, und darunter eine goldgelbe Cothardie. Ein juwelenbesetzter Gürtel saß tief auf seiner Hüfte. Die feine Kleidung maskierte nicht den Krieger darunter. Das alles bestätigte, was er gesagt hatte: Er war ein Soldat und Befehlshaber, den andere Männer fürchteten.
Ihre Gedanken wanderten zu seiner unverblümten Aussage, dass sie sicher wäre, wenn bekannt würde, dass sie sein Kind unterm Herzen trage. Rasch schob sie den Gedanken beiseite. Sie würde diesen Fremden heiraten, um ihren Sohn zu schützen, aber sie konnte jetzt nicht darüber nachdenken, das Bett mit ihm zu teilen.
Sie erinnerte sich daran, wie er ausgesehen hatte, als er auf der Zugbrücke über ihr aufragte. Trotz der Wärme des Wassers, das sie umfloss, erschauderte sie. Im Umgang mit ihm täte sie gut daran, sich des wütenden, blutbesudelten Löwen zu erinnern.
Alys stürmte ins Zimmer und brachte einen kalten Luftzug mit sich.
»Seid Ihr noch nicht angezogen?«, fragte Alys und riss die Augen entsetzt auf. »Mary, was ist los? FitzAlan läuft ruhelos in der Halle herum wie ein gefangener Bär.«
»Zwei Stunden, um eine Hochzeit vorzubereiten«, grummelte die Zofe, während sie Catherines Robe hochhielt.
Zwei Stunden, um eine Hochzeit vorzubereiten. Das Wasser rann an Catherines Beinen herab, als sie aus dem Zuber stieg.
»Ich habe Eure besten Gewänder auf dem Bett bereitgelegt«, sagte Mary, während sie ihr das Wasser aus den Haaren wrang.
»Dieses hier ist immer noch Euer Bestes«, sagte Alys und strich wehmütig über die feine Perlenstickerei auf dem Kleid, das Catherine bei ihrer ersten Hochzeit getragen hatte.
»Es ist keine Zeit, es auszulassen«, sagte Catherine. Obwohl sie immer noch schlank war, war sie mit sechzehn doch so dünn gewesen, dass sie fast zerbrechlich wirkte. »Das Blaue wird reichen.«
»Ja, das sieht wirklich schön an Euch aus«, sagte Mary und holte das Kleid und den passenden Kopfputz aus intensiv blauer Seide mit goldenem Rand. »Eure Augen leuchten wie Glockenblumen, wenn Ihr es tragt.«
Die beiden Frauen arbeiteten schnell. Sie flochten ihr Haar, steckten es hoch, schnürten und schoben alles zurecht. Als sie fertig waren, gurrten sie verzückt. Das Kleid passte perfekt. Es lag vom Busen bis zu dem Schmuckgürtel tief auf ihrer Hüfte eng an und fiel danach in weichen Falten bis auf den Boden.
Ihr Haar war noch feucht und juckte unter dem schweren Kopfputz. Als sie in den polierten Stahlspiegel schaute, den Mary ihr hinhielt, war sie froh, die Ohrringe und das Collier mit den Saphiren zu tragen. Es waren die Lieblingsstücke ihrer Mutter gewesen.
Das Rumoren von Männerstimmen drang ihr entgegen, als sie die Treppe hinunterstieg. Catherine berührte das Collier an ihrem Hals. Sie konnte sich auf diese Hochzeit einlassen. Sie musste.
Als sie die Halle betrat, schienen FitzAlans Männer sich wie auf Kommando zu ihr umzudrehen. Stille senkte sich über den riesigen Raum.
Auf der anderen Seite der Halle fiel FitzAlans goldbrauner Blick auf sie, fixierte sie, ließ sie an Ort und Stelle erstarren. Ihr Herz hämmerte, während er mit ernster, entschlossener Miene auf sie zuschritt. Sie fühlte Mitleid mit den Männern, denen er auf dem Schlachtfeld begegnete. Wenn sie sich hätte rühren können, wäre sie die Treppe hinaufgeflohen.
Sie versuchte, ihren Atem zu beruhigen, als er sich vor ihr verneigte und ihren Arm nahm.
Ehe sie sichs versah, hatten sie den Ehevertrag unterzeichnet, ihre Gelübde abgelegt und waren dem Bischof über den Burghof in die Kapelle im Ostturm gefolgt. Der Bischof musste den Segen gesprochen und eine Messe abgehalten haben, obschon sie kein Wort davon mitbekommen hatte.
Wie betäubt legte sie ihre Finger auf den Arm ihres neuen Ehemanns und trat aus der Kapelle. Sie erschauderte ob der unerwarteten Kühle und blickte auf. Die Sonne war hinter den Burgmauern untergegangen.
Es war vollbracht. Binnen eines Tages war sie Ehefrau gewesen, Witwe und erneut Ehefrau geworden.
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