Mein zärtlicher Ritter: Roman (German Edition)
seinen Kopf.
William nickte den Männern zu, die er erkannte, während er den Blick von einem zum anderen an seiner Tafel wandern ließ. Als er bei dem Jungen ankam, der neben Catherine saß, erschrak er. Die Ähnlichkeit mit seiner Mutter war erstaunlich. Dieser Junge musste Eleanors jüngster Sohn sein.
Der Junge erhob sich und verneigte sich vor ihm. William mit den unerschrockenen braunen Augen ihrer Mutter anblickend sagte er: »Ich grüße Euch, Sir. Ich bin Stephen Neville Carleton.«
»Aye, ich kann sehen, wer Ihr seid.« Weder lächelte William, noch machte er Anstalten, den Jungen zu begrüßen. »Wie kommt es, dass Ihr Euch hier auf Ross Castle aufhaltet?«
»William!« Er hörte Catherines geflüsterte Ermahnung, strafte sie aber mit Missachtung.
Der Junge errötete, doch er erwiderte Williams Blick. »Unsere Mutter hat darauf bestanden, mich herzuschicken.«
»Dagegen kann man nichts ausrichten.« William schüttelte den Kopf. »Setz dich, Stephen.«
Er konnte den Jungen schwerlich vom Mittagessen fortschicken. Während William sich die Hände in einer Schüssel wusch, die ihm von einem Diener gebracht worden war, füllte Catherine seinen Teller. Es war Stunden her, dass er in Hereford losgeritten war, und er hatte einen Bärenhunger.
»Wo ist Jamie?«, fragte er Catherine und stieß sein Messer in ein großes Stück Schweinefleisch.
»Er war müde vom Versuch, mit Stephen mithalten zu wollen. Sobald er mit dem Essen fertig war, hat ihn seine Amme hochgebracht, damit er sich ein bisschen ausruhen kann.«
Nachdem William seinen größten Hunger gestillt hatte, beugte er sich vor, um Stephen anzusprechen, der auf der anderen Seite von Catherine saß.
»Sag, wie alt bist du, Stephen Carleton?«
»Zwölf Jahre, Sir.«
»Und aus welchem Grund schickt dich Lady Eleanor zu mir?« Er deutete mit seinem Essmesser auf den Jungen. »Ich will beides hören: Was sie dir gesagt hat, und was du glaubst, dass ihr wahrer Grund ist.«
Der Junge zog die Augenbrauen auf eine Weise hoch, die William so sehr an ihre Mutter erinnerte, dass er nicht den Sarkasmus aus seiner Stimme lassen konnte. »Du kannst nicht zwölf Jahre mit ihr gelebt und nicht mitbekommen haben, dass sie immer einen Hintergedanken hat.«
Stephen hielt inne, als denke er über seine Antwort nach, dann sagte er: »Mutter hat gesagt, es wäre höchste Zeit, dass wir einander kennenlernen.« Nach einem raschen Seitenblick auf Catherine fuhr er fort: »Und sie will, dass ich ihr von Eurer neuen Frau erzähle.«
Catherine lächelte dem Jungen aufmunternd zu und tätschelte seinen Arm.
»Ich glaube, sie hat die Wahrheit gesagt«, meinte Stephen, »aber das waren nicht ihre einzigen Gründe.«
»Was will sie noch?«, fragte William.
»Obschon sie gesagt hat, es wäre ein Besuch, glaube ich, dass sie möchte, dass Ihr mich in Eurem Haushalt aufnehmt.« Stephen zuckte die Achseln. »Ihr seid der Einzige von uns, der beim König nicht in Ungnade gefallen ist.«
Das klang ehrlich. Doch William spürte, dass der Junge etwas verschwieg. »Sag die ganze Wahrheit. Raus mit der Sprache.«
»Möglicherweise will sie, dass Ihr eine Heirat für mich arrangiert«, sagte der Junge und wurde rot. »Nicht, dass sie wollte, dass ich jetzt heirate, aber sie strebt eine Verlobung an.«
Stephen sah aus, als wäre es ihm peinlich. »Sie hat mir einen Brief für Euch mitgegeben. Ich nehme an, sie weist Euch an – äh, bittet Euch, Euren Einfluss geltend zu machen und eine Verlobung mit einer reichen Erbin für mich zu arrangieren.«
William konnte nicht anders, als Mitleid mit dem Jungen zu haben. Da sowohl John als auch er außerhalb ihrer Reichweite waren, konzentrierten sich die Ambitionen seiner Mutter nun auf ihren Jüngsten. Die Frau konnte erbarmungslos sein.
»Mir gefällt deine Offenheit«, sagte William. »Du bist unserer Mutter gar nicht so ähnlich, wie es äußerlich den Anschein hat.«
William nahm einen Schluck Wein, dann fragte er: »Sag mir also, Stephen Carleton, ist Reichtum alles, was du von einer Ehefrau verlangst?«
»Nein«, murmelte der Junge und warf Catherine einen scheuen Blick zu. Er wurde wieder rot und heftete den Blick auf die Tafel.
William rieb sich mit den Händen übers Gesicht. Er hatte seinen kleinen Bruder nicht mehr gesehen, seit Stephen ein Säugling gewesen war, und auch damals hatte er nur sehr kurze Zeit mit ihm verbracht. Um die Wahrheit zu sagen, hatte er ihn vollkommen vergessen. Was sollte er mit dem Knaben
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