Mein zukünftiger Ex
»Das bin ich aber. Ganz ehrlich.«
»Dann solltest du eine Großmutterbrille tragen und eine ausgeleierte, alte Strickjacke oder so. Und kein Make-up.«
Lola wusste genau, was sie jetzt tun sollte; sie sollte ihm das dämliche Grinsen aus dem Gesicht prügeln. Laut sagte sie: »Ich nehme mal an, dass du nicht oft in Buchhandlungen bist.«
»Ich? Bloß nicht.« Stolz erklärte er: »Kann Lesen nicht ausstehen. Ist reine Zeitverschwendung. He, möchtest du einen Drink?«
»Danke nein. Kann trinken nicht ausstehen. Ist reine Zeitverschwendung.«
Er wirkte schockiert. »Echt?«
»Nein. Aber mit dir zu trinken wäre eine gewaltige Zeitverschwendung.« Lola entschuldigte sich und bahnte sich ihren Weg zur Bar, wo Gabe, um dessen Abschiedsparty es sich handelte, mit einer Gruppe von Kollegen plauderte.
»Gabe? Ich gehe jetzt nach Hause.«
Er drehte sich um, vollkommen entsetzt. »Unmöglich! Es ist erst neun Uhr!«
»Ich weiß, aber mir ist heute danach, früh ins Bett zu gehen.«
»Früh ins
was
? Einen Moment mal, wo ist die echte Lola?« Gabe inspizierte ihr Gesicht von nahem. »Sagen Sie mir sofort, was Sie mit ihr gemacht haben!«
Lola grinste, denn ihr war es ebenso rätselhaft wie ihm. Sie war einfach nicht der Typ, der früh zu Bett ging. Normalerweise liebte sie Partys.
»Ich weiß, dass es merkwürdig ist. Vielleicht habe ich mir irgendetwas eingefangen. Wie auch immer, dir wünsche ich noch einen schönen Abend.« Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und umarmte ihn. »Ich klopfe morgen früh mit Tee und Panadol an deine Tür.«
Gabe wirkte noch entsetzter. »Komm morgen Abend, dann bin ich möglicherweise wach.«
Lola verließ die Bar. Sie schauderte, als der eiskalte Regen ihr ins Gesicht schlug. Bei Regen war die Chance, ein Taxi zu ergattern, gleich null, darum machte sie sich auf den Weg zur U-Bahn. Sie zog zum Schutz vor der Kälte die Enden ihrer kurzen Samtjacke enger um sich. Die Absätze ihrer schwarzen Stöckelschuhe klackten über das Pflaster.
Es handelte sich ja nicht um eine richtige Abschiedsparty, nur um ein paar Leute aus dem Büro, für das Gabe als freier Gutachter arbeitete. In den letzten vier Jahren
gearbeitet hatte
. Von heute an war er arbeitslos und bereit für das Abenteuer seines Lebens in Australien.
Lola lief die Straße entlang. Sie freute sich für Gabe, war sich aber deutlich bewusst, wie sehr sie ihn vermissen würde. Als sie vor sieben Jahren mit dem unerwarteten Geldsegen von Alex nach London gezogen war, hatte sie sich in die dritte Wohnung, die sie besichtigte, sofort verliebt.
An jenem ereignisreichen Tag war sie sich wie Goldlöckchen vorgekommen. Die erste Wohnung in Camden war zu klein gewesen. Die zweite in Islington war zwar größer, aber dunkel und düster und roch nach Schimmel.
Glücklicherweise war die dritte genau richtig gewesen. Sie hatte sogar Lolas wildeste Träume übertrumpft. Radley Road war eine hübsche Straße in Notting Hill, wo die Häuser bunt gestrichen waren – wie in dem Film! – und die Nummer 73 war azurblau und weiß. Im zweiten Stock befand sich die Wohnung 73 B, eine geräumige Zwei-Zimmer-Wohnung. Vom Wohnzimmer aus sah man auf die Straße und die Fenster waren groß genug, um die Sonne hereinzulassen. Die Küche und das Badezimmer waren winzig, aber sauber. Kaum hatte Lola die Wohnung betreten, wusste sie, dass sie sie haben musste – sie rief förmlich ihren Namen.
Lola hatte noch nie zu den Menschen gehört, die sich Zeit lassen und vernünftige Nachfragen stellen. Mit Freudentränen in den Augen hatte sie sich zu dem Immobilienmakler umgedreht, hatte die Hände an die Brust gedrückt und gerufen: »Sie ist perfekt! Ich will sie kaufen! Das ist meine Wohnung!«
Sie hätte natürlich sagen sollen: »Hm, vermutlich gar nicht so übel. Was können Sie mir über die Nachbarn erzählen?«
Aber das hatte sie nicht gesagt, und darum sprach der aalglatte Immobilienmakler ein stummes Dankgebet für sämtliche hoffnungslos impulsiven Eigentumswohnungskäufer in aller Welt und meinte jovial: »Das habe ich gern, eine junge Frau, die weiß, was sie will!«
Und Lola, die wusste, wie naiv ihr Verhalten war, hatte gestrahlt und es als Kompliment genommen.
Aber Nachbarn waren immer ein wichtiger Faktor, den es zu berücksichtigen galt, wie sie feststellen musste, als sie in Wohnung 73 B einzog. Auf der anderen Seite der Treppe lag Wohnung 73 C. Noch am selben Nachmittag hatte sie dort geklingelt, um sich vorzustellen, voll
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