Mein zukünftiger Ex
Das würde er doch nicht tun, oder? Hatte er denn nie
Tatsächlich Liebe
gesehen? Wusste er nicht, wie romantisch der Weihnachtsabend sein konnte, wenn man sich nur entspannte, die Vergangenheit Vergangenheit sein ließ und sich einfach dem Schicksal anvertraute?
Doch dann wurde plötzlich die Haustür geöffnet und da stand er, barfuss, in einem blau-weiß-gestreiften Hemd über ausgefransten Jeans. Lola konnte nicht anders, sie musste nach Luft schnappen. Als die eiskalte Luft auf ihren Rachen traf, geriet sie prompt ins Husten. Eines Tages,
eines Tages
, würde sie lernen, sich elegant und zurückhaltend zu benehmen.
»Verdammt, das wird aber auch Zeit«, beschwerte sich Sally und lief an ihrem Bruder vorbei. »Hier draußen ist es eiskalt.«
»Zwei Dinge. Erstens ist es noch nicht acht. Und zweitens habe ich gesagt, du sollst um neun kommen.«
»Du hast acht gesagt.«
»Neun. Definitiv neun.«
»Ist ja auch egal. Dann bin ich eben früh dran!«
»Und außerdem«, Dougs Augen wurden schmal, »was macht Lola hier? Ich bin mir ziemlich sicher, dass unsere Mutter sie nicht eingeladen hat, den ersten Weihnachtsfeiertag mit uns zu verbringen.«
Lola sank der Mut. Dann hatte er
Tatsächlich Liebe
offenbar doch
nie
gesehen.
»Sei jetzt bitte nicht sarkastisch. Lola ist hier, weil sie mir einen Gefallen tut«, erklärte Sally. »Ich hatte zu viel Zeugs, darum hat sie mir angeboten, mir beim Tragen zu helfen.«
»Siehst du? Ich bin eigentlich ein netter Mensch.« Lola strahlte hoffnungsvoll. »Und gerate jetzt nur nicht in Panik – ich bin auf dem Weg zu meiner Mutter. Aber als ich sah, dass Sal so schwer mit Geschenken beladen war, dachte ich mir, dass ich ihr ruhig zur Hand gehen könnte.«
»Schön. Ich nehme sie dir ab.« Doug griff sich die Tasche mit den Geschenken und trat einen Schritt zurück. »Das wär’s dann also. Danke. Und noch ein schönes Weihnachtsfest.«
Er war ein Mann. Wahrscheinlich schaute er nur von Testosteron befeuerte, actiongeladene Filme wie
Mission: Impossible
und
Stirb langsam
1
-
100 an.
»Sei doch nicht so unhöflich«, rief Sally. »Also ehrlich, manchmal schäme ich mich für dich. Ich wollte Dich ja anrufen und dich bitten, mich abzuholen, aber Lola meinte, ich solle das nicht tun, du hättest zu viel um die Ohren, um noch zu uns fahren zu können, und dass es ihr nichts ausmache, sich durch die U-Bahn und die Menschenmassen zu kämpfen und durch die Straßen zu schleppen …«
Lola räusperte sich vernehmlich. Sally ließ sich mitreißen.
»Du könntest sie wenigstens auf einen Drink ins Haus bitten und dich bei ihr bedanken.«
Doug warf ihr einen leidenden Blick zu, dann drehte er sich um und sagte: »Lola, danke, dass du meiner Schwester geholfen hast. Kann ich dir etwas zu trinken anbieten?«
»Doug, wie lieb von dir.« Lola sah auf ihre Armbanduhr und lächelte entzückt. »Ich sollte eigentlich nicht, aber … ach, was soll’s. Wenn du darauf bestehst.«
Im Wohnzimmer war es herrlich warm. Es war L-förmig und bequem möbliert. Gierig nahm Lola jedes Detail in sich auf und stellte fest, dass Doug – Gott sei Dank – weder so chaotisch unordentlich wie seine Schwester war, noch so zwanghaft ordentlich wie Gabe. Dunkelgraue Vorhänge hingen vor den hohen Schiebefenstern, kontrastierten mit den tiefroten Wänden. Neben dem Sofa lagen Zeitschriften, neben dem Fernsehgerät DVD s, ein dunkelblauer Pulli hing über der Rückenlehne eines Sessels, die Wände schmückten diverse Drucke und Gemälde, auf dem Couchtisch standen zwei leere Weingläser …
Oh, und in der Tür zur Küche stand eine Blondine. Das war ein Dekostück, auf das Lola gern verzichtet hätte.
»Hallo«, sagte die Blondine.
»Hallo.« Lola hatte das Gefühl, als sei sie gerade in einen Aufzug getreten, der gar da nicht da war.
»Das ist ja mal eine Überraschung.« Sally war nie zurückhaltend, immer nassforsch. »Wer bist du denn?«
»Das ist Isabel, eine Freundin.« Doug ging auf seltsam beschützende Weise auf sie zu, als ob er sich darauf einstellte, eine unschuldige Gazelle vor zwei ausgelassenen Löwenjungen zu verteidigen. »Isabel, das ist meine Schwester Sally.« Und auf beiläufige Weise fügte er noch hinzu: »Und ihre Freundin Lola.«
Nur um jedem im Raum kristallklar vor Augen zu führen, wie unwichtig sie war, wie absolut irrelevant für sein Leben.
Um das Ganze noch schlimmer zu machen, lächelte Isabel breit und sagte: »Sally, ich habe schon so viel von dir gehört.
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