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Meine Freundin Jennie

Meine Freundin Jennie

Titel: Meine Freundin Jennie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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dünn du geworden bist! Und dein Fell! Ach, mein armer Peter, was ist denn bloß mit dir geschehen? Du siehst ja ganz verhungert aus und hast bestimmt seit einer Ewigkeit nichts Ordentliches mehr in den Magen gekriegt. Komm, du mußt jetzt unbedingt die Maus mit mir teilen, die ich vor ein paar Stunden erst gefangen habe!» Und geschwind sprang Jennie vom Bett herunter, holte ihre Beute aus ihrem Versteck und legte die Maus, als sie dann mit ihr zurückkam, vor Peter hin. «Siehst du, sie hat gerade die richtige Größe, und schön fett ist sie auch. Aber friß nicht zu schnell, Peter, wenn du schon längere Zeit nichts gefressen hast.»
    Mütterlicher Stolz leuchtete ihr aus den Augen, als Peter sich nun mit der Maus auf den Fußboden verzog, um beim Fressen die Bettdecke nicht zu beschmutzen, und sie schnurrte vor Zufriedenheit, als er ihr, nachdem er die halbe Maus verspeist hatte, die andere Hälfte anbot. «Nein, mein Lieber», sagte sie, «friß sie nur ganz auf. Du hast es nötiger, und ich bin wirklich satt...»
    Peter fühlte sich sofort gekräftigt, aber gerade weil er so unbändig glücklich war, Jennie wiedergefunden zu haben, quälte ihn der Gedanke, wie er ihr jetzt nur alles erklären sollte, um so mehr, und er schämte sich schrecklich.
    Aber wie durch ein Wunder kam es dann gar nicht dazu, denn als er nach seiner Mahlzeit anfing, sich zu waschen — teils, weil er sich bewußt war, wie schmutzig er aussehen mußte und er sich vor Jennie doch gern etwas sauberer präsentieren wollte, teils aber auch aus Verlegenheit —, kroch Jennie wieder auf ihn zu und sagte: «Laß nur, Peter, du bist ja viel zu müde. Ich werde dich waschen. Streck dich nur lang aus und mach die Augen fest zu!»
    Da wußte Peter, daß sie ihm verziehen hatte, und eine heiße Zärtlichkeit durchflutete ihn und schien nicht nur seine Schande und sein schlechtes Gewissen, sondern auch alles Leid und jedes Ungemach, das er so lange Zeit erduldet hatte, für immer fortzuspülen.
    So legte er sich also gehorsam auf die Seite und schloß die Augen und überließ sich ganz dem köstlichen Gefühl, das er empfand, als Jennies kleine flinke rauhe Zunge jetzt lindernd über seine wunden, müden und schmerzenden Glieder strich und ihn ebenso gründlich wie liebevoll vom Kopf bis zur Schwanzspitze wusch, als ob er nie davongelaufen wäre.

Komm heraus, Jennie!

    Und gerade so — oder fast so —, als ob nichts geschehen wäre, nahmen Peter und Jennie ihr gemeinsames Leben wieder auf und richteten sich in dem Verschlag des Lagerhauses inmitten der Möbel des Kaisers Napoleon von neuem häuslich ein.
    Ohne zu erwähnen, warum sie eigentlich die Herberge am Cavendish Square verlassen hatte, erzählte Jennie nur, daß sie beinahe direkt zum Lagerhaus zurückgekehrt sei und dort zu ihrer Überraschung die ganzen Möbel wieder vorgefunden habe. Wahrscheinlich hatte man sie also seinerzeit nur abtransportiert, um sie irgendwo auszustellen, und sie wieder zurückgebracht, als die Ausstellung geschlossen wurde.
    Jennie sagte Peter auch nicht, warum sie gerade hierhergelaufen war — weil sie nämlich damals, in jenen ersten Tagen ihrer Freundschaft, als sie Peter beibrachte, wie man sich als Katze zu benehmen hat, hier beide so glücklich gewesen waren —, aber das hatte sie auch gar nicht nötig, denn Peter verstand sie auch so und schämte sich nur, daß er nicht auf denselben Gedanken gekommen war und sich ebenfalls gleich hierher begeben hatte, statt so unbesonnen aufs Geratewohl kreuz und quer durch London zu laufen und Jennie überall dort zu suchen, wo sie sich gar nicht aufhielt. Er war freilich noch zu jung, um zu begreifen, daß es zwischen ihrer und seiner Art zu denken einen wesentlichen Unterschied gab, dessen Ursprung er sich doch nicht hätte erklären können. Doch war er immerhin instinktiv klug genug, um Jennie der frommen Täuschung zu überlassen, auch er sei, nachdem er sie an allen vertrauten Plätzen, wo er sie zu finden hoffte, nicht angetroffen hatte, ganz bewußt zu ihrem alten Quartier zurückgekehrt und also nicht mehr oder weniger zufällig in einer Art Fiebertraum hierhergelangt, der sich seiner bemächtigte, weil er vor Hunger so schwach geworden war.
    Wichtig war nur, daß sie wieder beisammen waren und Jennie keinerlei Groll gegen ihn zu hegen schien. Sie hörte mit großem Interesse zu, als er ihr berichtete, was er Buff zu ihrer Mutter hatte sagen hören; wie verwahrlost die früher von Mr. Grims bewohnte Baracke

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