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Meine geheime Autobiographie - Textedition

Meine geheime Autobiographie - Textedition

Titel: Meine geheime Autobiographie - Textedition Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Twain
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später einfügen werde.
    An dieser Stelle sei angemerkt, dass James W. Paige, der kleine helläugige, aufgeweckte, elegant gekleidete Erfinder der Maschine, eine höchst außergewöhnliche Verbindung darstellt aus Geschäftstüchtigkeit und kaufmännischer Unvernunft; aus kaltem Kalkül und kindlicher Sentimentalität; aus Aufrichtigkeit und Verlogenheit; aus Treue und Verrat; aus Edelmut und Niedertracht; aus Beherztheit und Feigheit; aus verschwenderischer Großzügigkeit und erbärmlichem Geiz; aus klarem Verstand und unglaublichem Schwachsinn; aus überragendem Genie und ganz gewöhnlichen Ambitionen; aus barmherzigen Eingeweiden und einem versteinerten Herzen; aus kolossaler Eitelkeit und – Hier jedoch hören die Gegensätze auf. Seine Eitelkeit steht einzig da, ragt himmelhoch auf, hat scharfe Konturen wie einägyptischer Obelisk. Das ist die einzige seiner unangenehmen Eigenschaften, die nicht durch ein gegenteiliges Charaktermerkmal abgeschwächt, gemildert oder aufgewogen wird. Es gibt noch ein, zwei weitere erwähnenswerte Züge: Er kann jeden überreden; überzeugen kann er keinen. Er besitzt einen kristallklaren Verstand, was das Erfassen und Konkretisieren einer Idee betrifft, die unter dem Chaos eines verwirrenden juristischen Jargons verschüttet ist; und doch kann man sich stets darauf verlassen, dass er ein halbes Dutzend schlichtester Tatsachen hernimmt und daraus Schlüsse zieht, die noch die geistesgestörten Anstaltsinsassen in Erstaunen versetzen würden. Das liegt daran, dass er ein Träumer ist, ein Visionär. Seine Vorstellungskraft geht völlig mit ihm durch. Er ist ein Dichter; ein großer, ein wahrer Dichter, dessen erhabene Schöpfungen in Stahl geschrieben sind. Er ist der Shakespeare der mechanischen Erfindung. In allen Zeitaltern gibt es keinen, der ihm ebenbürtig wäre, ja nicht einmal einen, der ihm auch nur nahekäme. Wer qualifiziert ist, seine wunderbare Maschine zu durchschauen, wird zugeben müssen, dass ihr ein Platz auf dem höchsten Gipfel menschlicher Erfindungsgabe gebührt, ohne dass man zwischen diesem und den fernen Ausläufern etwas fände, was ihr ähnlich wäre.
    Aber ich muss die sonderbaren Gegensätze, die ich oben angeführt habe, erläutern, oder man wird den Mann missverstehen und ihm unrecht tun. Sein Geschäftssinn ist bemerkenswert und von besonderer Art. Mehr als zwanzig Jahre hat er an seiner kostspieligen Maschine getüftelt, immer auf Kosten anderer. Er hat Hunderte und Tausende Dollar anderer Leute ausgegeben, dabei aber seine Maschine und mögliche Patente immer in seinem Besitz gehalten, ohne sich von irgendeinem peinlichen Pfandrecht stören zu lassen – mit einer Ausnahme, auf die ich noch zu sprechen komme. Nie ließ er sich dazu bewegen, aus eigener Tasche auch nur einen Penny in seine Arbeit zu stecken. Einmal hatte er die glänzende Idee einer höchst nützlichen Anwendung von Strom. Sie zu erproben koste nur $ 25, beteuerte er. Ich zahlte ihm ein Gehalt von fast $ 600 monatlich und verwandte darüber hinaus $ 1200 auf die Maschine selbst; und doch bat er mich, ich möge die $ 25 riskieren und dafür die Hälfte des Gewinns einstreichen. Ich lehnte ab, und er erwähnte die Angelegenheit nicht mehr. Ein andermal war er überzeugt, einerweiteren wunderbaren Erfindung im Bereich der Elektrizität auf der Spur zu sein. Die Durchführung einiger Experimente werde nur eine Kleinigkeit kosten – allenfalls $ 200; und so bat er mich, ihm diese Summe zur Verfügung zu stellen und die Hälfte des Gewinns einzustreichen. Ich stattete ihn mit Geld aus, bis die Summe auf rund $ 1000 angewachsen war und er verkündete, alles sei bereit für die große Vorführung. Der Strom wurde eingeschaltet – das Ding weigerte sich anzuspringen. Zwei Jahre später wurde von einem Mann im Staat New York das gleiche Ding erfolgreich entwickelt, zum Patent angemeldet und für eine ungeheure Summe nebst Lizenzbeteiligung vom Fleck weg verkauft. Die Zeichnungen in der Fachzeitschrift, die die einzelnen Entwicklungsphasen verdeutlichten, in denen sich der Erfinder Schritt für Schritt der Verwirklichung seiner Idee genähert hatte, waren nahezu Zwillinge der Zeichnungen, die Paige zwei Jahre zuvor angefertigt hatte. Fast hatte es den Anschein, als stammten beide Zeichnungsserien von ein und derselben Hand. Paige sagte, wir
seien
am Ziel gewesen und hätten es
wissen
können, wenn wir nur, nachdem wir mit Gleichstrom keinen Erfolg gehabt hatten, es mit Wechselstrom

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