Meine gute alte Zeit - Teil I
vermutlich abgeho l fen – aber es gab eine einfachere Methode um sich Truelove dienstbar zu machen. Wie alle Gä r ten in Devon lag auch der unsere auf einem Hang. Meine Methode bestand da r in, dass ich Truelove auf den höchsten Punkt eines la n gen, grasreichen Hangstückes hinaufzog, mich vo r sichtig hineinsetzte, einen ermunternden Schrei ausstieß und losfuhr – langsam zuerst, dann immer schneller, während ich mit den Füßen bremste, bis wir unten bei der Schu p pentanne zum Stehen kamen. Dann zog ich Truelove wieder hinauf. Das Spiel begann von Neuem.
Als Nursie uns verließ, verlor ich natürlich auch eine Spielg e fährtin. Tief traurig wanderte ich im Haus herum, bis der Reifen mein Problem löste. Wie alle Kinder ve r suchte auch ich, Menschen dazu zu b e wegen, mit mir zu spielen – zuerst meine Mutter, dann die Dienstb o ten. Aber in jenen Tagen musste ein Kind, wenn niemand da war, dessen Aufgabe es gewesen wäre, sich mit ihm a b zugeben, allein spielen. Die Dienstboten waren gutmütige Leute, aber sie hatten ihre Arbeit – und nicht zu knapp –, und so hieß es dann: »Jetzt geh schön, Agatha. Ich habe noch eine Menge zu tun.« Jane versüßte die bittere Pille oft mit einer Hand voll Sultaninen oder einem Stück K ä se, aber mit der Auflage, dass ich es im Garten verzehren müsse.
So schuf ich mir also meine eigene Welt und meine e i genen Spielg e fährten. Ich bin sicher, dass mir das gut tat. Ich habe mein ganzes L e ben nie darunter gelitten, »nichts zu tun« zu haben. Unendlich viele Frauen leiden darunter. Sie leiden an Einsamkeit und Langeweile. Überflüssige Zeit ist für sie ein Albtraum und keine Freude. Wenn dauernd Dinge getan we r den, um dich zu unterhalten, gewöhnst du dich natürlich da r an. Und wenn nichts für dich getan wird, fühlst du dich verl o ren.
Daran liegt es wohl, dass die Kinder, die ja heute fast alle zur Schule gehen, wo alles für sie getan wird, in der Ferienzeit so hoffnungslos außer Stande sind, ihre eig e nen Ideen zu entwickeln. Ich bin immer wieder übe r rascht, wenn so ein Kind zu mir kommt und sagt: »Bitte. Ich habe nichts zu tun.« Kop f schüttelnd antworte ich:
»Du hast doch eine Menge Spielsachen, nicht wahr?«
»Eigentlich nicht«.
»Wieso? Du hast zwei Eisenbahnzüge, Spielzeugautos und einen Malkasten. Und Bausteine. Kannst du nicht damit spi e len?«
»Ich kann doch nicht ganz allein damit spielen!«
»Warum nicht? Mal dir einen Vogel, schneide ihn aus, mach mit den Bausteinen einen Käfig, und steck den V o gel in den Käfig.«
Das Gesicht erhellt sich, und ich habe fast zehn Min u ten Ruhe.
Wenn ich in die Vergangenheit zurückblicke, kommt mir eine Ta t sache immer stärker zum Bewusstsein: Meine Vorlieben sind im W e sentlichen die gleichen geblieben. Womit ich als Kind gerne spielte, damit habe ich auch in meinem späteren Leben gern gespielt.
Mit Häusern, zum Beispiel.
Ich hatte, glaube ich, eine ausreichende Menge von Spielsachen: Ich besaß ein Puppenbett mit richtigen L a ken und D e cken, und den Familienbaukasten, der von meinen Geschwi s tern auf mich übergegangen war. Ein Teil meines Spielzeugs war übrigens selbst gefertigt. Ich schnitt Bilder aus alten Illustrierten und klebte sie in A l bums aus braunem Packpapier. Überzählige Tapetenro l len wurden in Streifen geschnitten und über Schachteln geklebt. Es war eine gemächliche und vergnügliche B e schä f tigung.
Doch die Hauptquelle häuslicher Kurzweil war zweife l los mein Pu p penhaus. Es war die übliche Ausführung mit einer Vorderfront, die sich aufklappen ließ und den Blick auf Küche, Wohnzimmer und Salon u n ten, und Schlaf- und Badezimmer oben frei gab. Besser g e sagt, so fing es an. Das Mobiliar wurde Stück für Stück dazugekauft. Es gab damals eine riesige Au s wahl von Puppenmöbeln in den G e schäften, und gar nicht teuer. Mein Taschengeld war für damalige Begriffe reichlich bemessen. Es bestand aus den Kupfermünzen, die Vater jeden Morgen gerade in seinem Besitz hatte. Ich besuchte ihn in seinem A n kleidezimmer, wünschte ihm einen guten Morgen und wandte mich dann dem Toile t tentisch zu, um zu sehen, was das Schicksal mir für diesen Tag zugeme s sen hatte. Zwei Pence? Fünf Pence? Einmal sogar ein Elfpe n cestück! An manchen Tagen überhaupt nichts. Die U n gewissheit machte das Spiel noch reizvoller.
Meine Einkäufe waren fast immer die gleichen. Ein paar Bonbons – »gekochte« Bonbons, die einzigen, die Mutter
Weitere Kostenlose Bücher