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Meine Oma, Marx und Jesus Christus: Aus dem Leben eines Ostalgikers (German Edition)

Meine Oma, Marx und Jesus Christus: Aus dem Leben eines Ostalgikers (German Edition)

Titel: Meine Oma, Marx und Jesus Christus: Aus dem Leben eines Ostalgikers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Steimle
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verkünden dürfen, und bestimmt würde er fragen, warum der Papst seinen Priestern verbietet, Frau und Kinder zu haben, und er würde ausspucken vor denen, die Kinder missbraucht haben.
    Auch würde er seinem Stellvertreter Fragen zum Zusammenleben der Kirchen stellen, und es wäre denkbar, dass er, als guter Pädagoge, dem Papst die gründliche Lektüre von Lessings Aufklärungswerken anraten würde.
    Christus würde den Dogmenreiter, der sich »Vater« nennen lässt, ganz schön hart ins Gebet nehmen, ihn womöglich als weltfremd und als intoleranten und reaktionären Menschenfeind bezeichnen; das könnte alles passieren bei ihm, der bekanntlich, wenn es sein musste, eine Dirne und eine Ehebrecherin in Schutz nahm.
    Kann sein, dass der Papst den folgenden Ausschnitt aus einer Rede, die Jesus an die Jünger und an das Volk richtete, sogar auswendig kennt, an Unkenntnis liegt es also sicher nicht, wenn nichts angekommen ist beim »Vater«.
    »… Auf dem Stuhl des Moses sitzen die Schriftgelehrten und Pharisäer. Tut und haltet alles, was sie euch sagen, nach ihren Werken aber richtet euch nicht. Sie binden schwere und unerträgliche Lasten und legen sie auf die Schultern der Menschen, selber aber wollen sie mit keinem ihrer Finger daran rühren. Alle ihre Werke tun sie, um sich sehen zu lassen von den Menschen; denn sie machen ihre Gebetsriemen breit und groß ihre Quasten. Sie nehmen gern den Ehrenplatz ein bei den Gastmählern und die ersten Sitze in den Synagogen und lassen sich grüßen auf den öffentlichen Plätzen und von den
Leuten als Meister anreden. Ihr aber sollt euch nicht als Meister anreden lassen; denn einer ist euer Meister; ihr alle aber seid Brüder. Auch als Vater sollt ihr niemand von euch anreden auf Erden, denn einer ist euer Vater, der im Himmel …« (Matthäus 23)
    Die Verfolgung der Christen hat Jesus ja vorausgesehen. Sie war ein schlimmes Kapitel, aber muss es ihn, der die Tötung von Menschen als schwere Sünde ansah, nicht auch furchtbar geschmerzt haben, dass seine Stellvertreter auf Erden in großinquisitorischer Manier seinen Namen missbrauchten und Zehntausende von Menschen auf Scheiterhaufen verbrannten?
    Dass Ritter, sein Kreuz vor sich hertragend, Juden in Deutschland und Spanien und in seinem Heimatland mordeten und dass sie in unvorstellbarem Ausmaß brandschatzten und plünderten?
    Dass man in Amerika und in Afrika Völkermorde beging und die Menschen mit Gewalt missionierte und sich das Land der Missionierten aneignete?
    Das ist alles schlimm genug für Jesus Christus, aber es ist längst nicht alles: Muss es ihn nicht grämen, dass die Kinder seiner Gemeinde sich entzweit und schwer gezankt haben und dass sie verheerende Kriege gegeneinander geführt haben?! Ja, und sein Stellvertreter, der will immer noch nicht, dass sie sich beim gemeinsamen Abendmahl versöhnen.
    Es bringt ja nichts, aber der Gottessohn könnte verzweifeln, wenn er daran denkt, was gerade die, bei denen sich sein Vater besonders viel Mühe gegeben hat, diese gelungenen Meisterwerke, auf die er stolz war, was ebendiese »vollendeten« Geschöpfe der Erde antun, die sie eigentlich nach seinem Willen mit Demut behandeln sollten.
    Ja, das ist alles schwer zu verkraften für Jesus Christus.
    Sicherlich, sein Kollege Mohammed und dessen oberster
Herr sind auch nicht zu beneiden. Sie haben ebenfalls große Probleme und eine Fangemeinde, in der es sehr, sehr schwarze Schafe gibt, aber das kann kein Trost für ihn sein, ganz gewiss nicht.
    Aber nun zu der Gretchenfrage:
    »Nun sag, wie hast du’s mit der Religion? . . .«
    »Glaubst du an Gott? . . .«
    Die Frage nach dem Glauben zu beantworten, ist unglaublich schwer. Aber wir lassen nicht locker:
    »Wie stehst du zu Ihm, was verbindet dich mit Gott-Vater, Gott-Sohn und Heiligem Geist?«
    Nein, bitte nicht vorschnell urteilen: Keine Gotteslästerung meinerseits soll hier zum Vorschein kommen, bei Gott nicht.
    Nur habe ich Angst, ja, Angst, mich zu erkennen zu geben. Es sind ja nicht alle immer nur gut zu einem, also mir.
    Wie schnell ist ein Wort dem Mund entronnen und kann nicht mehr zurückgeholt werden. »Hüte deine Zunge!«, das ist’s, wenn ich an mein persönliches Verhältnis zu Jesus Christus und zum Glauben denke. »Uwe, sei nicht wohlfeil, und öffne dich dem, der es wert ist, Vertrauen zu genießen.«
    Wo Vertrauen ist, Verstehen, Weite des Herzens, leichtes Erdendasein, da ist etwas Göttliches, da ist Jesus Christus. Höre ich im Frühling die

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