Meine Oma, Marx und Jesus Christus: Aus dem Leben eines Ostalgikers (German Edition)
Sensibilität. Und sie war auch nicht zum Töten gedacht. Obwohl er aus der Brillantgarnitur mit über 2 000 Brillanten bestückt ist, wirkt der von Herrn Globig gearbeitete Degen eher schlicht. Nie sah ich eine schönere Waffe.
Übrigens, mein Taschenmesser ist auch aus Damaszenerstahl … aber natürlich kein Vergleich!
Friedrich August wurde im Jahre 1807 von Napoleon zum sächsischen König erhoben. Aber, umsonst ist der bekanntlich nicht. Er musste die Brillantengarnitur verpfänden. Für den Schmuck gab es einen Kredit von 1 400 000 holländischen Gulden. Der König brauchte das Geld für die Bereitstellung der Aufrüstung seines Heeres; er kämpfte an der Seite Napoleons gegen die Preußen.
Im Frühjahr 1813 galt die Schuld als getilgt, und der Brillantschmuck durfte wieder heim. Im Herbst desselben Jahres
tobte die Völkerschlacht bei Leipzig. Sachsen verlor. Der Juwelenschmuck wurde erneut verpfändet. Doch als hätte der König das Desaster geahnt, verschaffte er sich bessere Konditionen bei den Banken. Nach langer Reise kehrte der Schmuck im November 1819 ins Grüne Gewölbe zurück, und seitdem herrscht Ruhe, was das Verpfänden von Brillanten anbelangt.
Nachdem ich so viel über August gesprochen habe, fragen Sie sich sicher: »Ja, welchen August meint er eigentlich?« Wenn man sich nicht ganz in die Materie reinknien möchte, belässt man es einfach bei »August«. »Einer von denen«, wie wir Sachsen sagen. »Wird schon einer sein« oder: »Der muss doch selber wissen, wer gemeint ist.« Einer ist Fakt: August der Starke ist Kurfürst Friedrich August I. und wird später als August II. König von Polen. Punkt.
Soweit alles klar? Wenn Sie nur »August der Starke« sagen, können Sie gar nichts falsch machen.
Nun ein »Schlittschuh laufender Holländer« : Heute müsste man sagen: »Niederländer«. Einfach schlicht und ergreifend. Den muss man gesehen haben.
Ein unbekannter Goldschmied schuf um 1705 dies Feuerwerk aus Gold, Silber, Emaille, Smaragden, Rubinen, Diamanten, Spiegelglas und einer Barockperle. Ebendiese ist die Hose des spannungsgeladenen Mannes, der am Rande des Eises tanzt. Auf einem Bein. Zwei verkrüppelte Perlen sind zu einer Barockperle zusammengewachsen. Das Gesicht des Mannes und seine Schlittschuhe sind detailversessen wiedergegeben. Als Hut trägt der schlichte Holländer einen großen Rubin. Ihre Spannung bezieht die Figur aus der waghalsigen Turnerei am Rande des Spiegelglases. Stolz und selbstverliebt beobachtet er sich, das heißt, er beobachtet seine Juwelen.
Glitzern sie genug? Präsentiert er sich im richtigen Licht? Zieht er elegante Kreise? Die Arme ganz bei sich und verschlossen, trägt er sie verschränkt vor seinem dunkelblau emaillierten
Körper. Er friert. Aber er friert stolz. Hellblaue Kniestrümpfe, gestrickt aus Emaille, zieren seine Kullerwaden.
Das ganze Kabinettstück ist so voller Poesie, dass es mich eher an Jugendstil erinnert als an den verspielten Barock.
Aber nun, meine Damen, sind Sie an der Reihe. Gern möchte ich Ihnen allen »Die Große Brustschleife« ans Herz legen. Sie stammt aus der Diamantrosengarnitur und wurde der Königin Amalie Auguste 1782 zur Geburt ihres Kindes, der Tochter Maria Augusta, von ihrem Gatten geschenkt. Das gute Stück, die Goße Brustschleife, ist aus zahlreichen Edelsteinen der altmodisch gewordenen Brillantgarnitur August III. gefertigt. In der Mitte der Großen Brustschleife sitzt in Hemdknopfgröße ein Brillant. 27 Rockknöpfe und 12 Westenknöpfe, alles natürliche Brillanten, vervollständigen das Bild. Die Große Brustschleife, die unterhalb des Ausschnittes getragen wurde, war natürlich ein begehrter Blickfang und verwies zu Recht auf die große Trägerin. Durch ihre wellenartige Form wirkt sie zeitlos schön. Beschwingt gerafft, baumelten 556 Gramm Gesamtgewicht am Dekolletee? Das erforderte gewisse körperliche Voraussetzungen.
Die Große Brustschleife zu tragen war vermutlich Schwerstarbeit. Auch ist sie eine Einmaligkeit im königlichen Schmuckrepertoire. Als Geschenk zählte sie nicht zum persönlichen Hausschmuck der Könige, sondern wanderte, wohl nummeriert, als Repräsentationsschmuck ab ins Grüne Gewölbe. Persönliches Eigentum war gleichzeitig Staatsschatz. Und oder wahlweise umgekehrt. Schmuck im Dienst.
Die Schenkungssteuer war auch noch nicht entdeckt, und auch die Konsumtionsakzise ließ sich geschickt einsparen. Ja, ja, man verstand bei Hofe zu rechnen. Wenn gerade mal wieder Krieg
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