Meine Schwester lebt auf dem Kaminsims: Roman (German Edition)
Augen aufs Tor und bewegte mich nicht, weil das vielleicht alles im Traum passierte und ich gleich aufwachen würde. Dann ließ das Muschelrauschen in meinen Ohren nach, und ich hörte die Leute schreien und klatschen und jubeln, und das galt alles mir. Irgendwie musste ich an das Buch denken, das ich aus Versehen aus der Bücherei mitgenommen hatte, und ich fühlte mich wirklich einzigartig. Nicht ganz wie ein Wunder, aber beinahe. Hunderte von Händen schienen mich zu Boden zu ziehen. Alle Spieler aus meiner Mannschaft schmissen sich auf mich, und obwohl mein Gesicht in den schlammigen Rasen gedrückt wurde, machte mir das überhaupt nichts aus. Ich hätte nirgendwo anders auf der Welt sein wollen als genau an dieser Stelle, auf einem matschigen Fußballfeld, halb zerquetscht von zehn johlenden Mannschaftskameraden.
Oder neun. Daniel freute sich nicht mit den anderen. Das merkte ich erst, als ich aufstand und der Schlusspfiff ertönte. Daniel stand alleine mitten auf dem Spielfeld und schien nicht mal froh zu sein, dass wir gewonnen hatten.
Sunya schrie meinen Namen und küsste ihren Ring. Ich hielt nach Dad Ausschau, und als ich ihn nirgendwo sah, küsste ich meinen Ring auch. Sunya winkte mir zu und lief dann weg, und der Ballon in meinem Bauch war größer als je zuvor, aber er fühlte sich gut an, wie ein Schwimmring oder eine Luftmatratze oder irgendwas anderes, das einen über Wasser hält. Meine Schultern waren irgendwie breiter und meine Arme kräftiger, und das Spider-Man-Shirt schien mir zum ersten Mal richtig zu passen.
Alle Eltern liefen zu ihren Jungs, und einen Moment lang wusste ich nicht, was ich jetzt tun sollte. Ich grinste immer noch, aber jetzt taten mir plötzlich die Wangen weh, meine Lippen fühlten sich gesprungen an, und meine Zunge war trocken. Aber ich grinste weiter, weil ich mir dieses Gefühl auf keinen Fall verderben lassen wollte. Auch nicht davon, dass Dads Rülpsen nein bedeutet hatte. Jas und Leo knutschten, aber jetzt schauten sie zu mir und winkten, und ich lief zu ihnen. Jas sagte immer wieder, ich sei ein echter Held, ich hätte besser als Wayne Rooney gespielt, und Leo schüttelte mir wieder die Hand, und diesmal wusste ich, wie man das machte. Er sagte Kein schlechtes Tor für einen Fisch , und ich sagte Das hätte ein Igel nicht geschafft , und er lachte auf die richtige Art, nicht so falsch wie die Erwachsenen, und sein Lachen glitzerte, wegen den Silber-Piercings an seinen Lippen und auf seiner Zunge.
Die Eltern der anderen Jungen starrten auf Jas’ pinke Haare und Leos grüne Stacheln und auf die schwarzen Klamotten und weißen Gesichter der beiden. Ich starrte zurück, bis diese Leute sich wegdrehten, und ich fühlte mich so stark, als hätte ich auch den grünen Kobold aus Spider-Man besiegen können, wenn er jetzt angerannt gekommen wäre. Jas sagte Wir sehen uns dann zuhause , und Leo sagte Bis später, Zwerg , und dann war ich allein und machte die Augen ganz weit auf, um an diesem besten Tag meines Lebens alles genau sehen zu können. Ich sah den Schlamm an meinen Knien und die Tornetze im Wind und meinen Gegenspieler, den ich abgehängt hatte und der jetzt wegen mir mit gesenktem Kopf davonschlich. Heimlich lächelte ich dem Löwen am Himmel zu, und ich schwöre, ich habe ihn brüllen hören.
Der Direx sagte Gut gespielt und drückte mir die Schulter, und dann sagte er noch Spitzentor und wuschelte mir über die Haare. Und als ich das Gefühl hatte, dass nun wirklich nichts Besseres mehr passieren konnte, ging ich in die Umkleide, und alle Jungs bis auf Daniel strahlten mich an und sagten Superschuss und Klasse Spiel und Wusste gar nicht, dass du mit links so gut bist . Der Tormann schrie sogar Jamie Matthews, bester Mann auf dem Platz , weil wegen meinem Tor keiner mehr an seinen Fehler dachte und ihn niemand mehr Weichei nannte. Ein paar stimmten ein. Nur Daniel schnaubte laut und rannte raus. Ich dachte, er würde heimgehen, aber als seine Faust mein Gesicht traf, wusste ich, dass ich mich geirrt hatte.
Es passierte knapp einen Kilometer von der Schule entfernt auf einer stillen Straße. Außer uns war niemand da. Daniel musste vor der Umkleide gewartet haben und mir dann gefolgt sein. Ich hörte auch nicht, wie er sich anschlich, weil ich in Gedanken ein Gespräch mit Mum führte. Ich erzählte ihr von dem Spiel und sagte Wein doch nicht. Nächstes Mal gibt Mr. Walker dir ganz bestimmt frei .
Jemand tippte mich auf den Rücken, und dann sah ich nur
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