Meine Schwester lebt auf dem Kaminsims: Roman (German Edition)

und in Wüstenländern wie Afrika. Ich hatte keine Ahnung, was ich tun sollte. Schuleschwänzen ist echt heftig.
    Wo warst du , fragte ich, als die Haustür aufging und Jas reinkam. Sie schaute mich an, als sei ich verblödet, und sagte In der Schule . Die Lüge fühlte sich wie ein Schlag ins Gesicht an, und meine Wangen wurden so rot wie das Licht auf dem Anrufbeantworter. Sag die Wahrheit , sagte ich, und sie erwiderte in diesem spöttischen Tonfall Sei nicht so neugierig . Ich sagte Miss Lewis hat eine Nachricht hinterlassen . Jas schaute erschrocken zum Anrufbeantworter und schlug die Hand vor den Mund. Hat Dad … , sagte sie, und ich antwortete Nein , und sie sagte Wirst du …, und ich sagte Nee, natürlich petz ich nicht .
    Jas nickte und kochte sich einen Tee und fragte mich, ob ich einen warmen Johannisbeersaft wollte, was mein Lieblingsgetränk ist. Ich sagte Ja , aber ohne bitte . Ich war immer noch böse auf sie, weil sie mich angelogen hatte und ohne mich irgendwelche Abenteuer erlebte. Sie setzte sich an den Küchentisch und sagte Tut mir leid , und ich sagte Schon okay , aber eigentlich war nichts okay. Und es ärgerte mich, dass sie jetzt so erleichtert aussah, als sei mit diesen zwei Wörtern alles vergessen. Ich musste an Sunya denken, und plötzlich verstand ich, warum sie den Klebknetering nicht mehr tragen wollte. Sie hatte mir immer noch nicht verziehen, weil ich mich nur ein Mal entschuldigt hatte, und das war nicht genug.
    Ich wäre am liebsten losgerannt, aus der Küche raus, die Straße entlang, den Abhang hoch bis zu Sunyas Haus. Dort wollte ich vor ihrem Fenster stehen und so lange Entschuldigung schreien, bis sie mit glitzernden Augen rausgucken und Ist schon okay sagen und es wirklich meinen würde. Aber das ging nicht. Deshalb blieb ich am Tisch sitzen und wartete darauf, dass Jas zu reden anfing.
    Ich bin verliebt . So was hatte ich nicht erwartet. Ich verschluckte mich und spuckte Saft auf mein T-Shirt. Jas klopfte mir auf den Rücken. Als ich wieder Luft kriegte, fragte ich In Leo . Jas kaute Fingernägel, und ich sagte Oh . Sie zappelte herum. Was Dad gesagt hat , murmelte sie dann, und Tränen stiegen ihr in die Augen. Ich stand auf, um ihr ein Taschentuch zu holen, fand aber keins und gab ihr ein Geschirrtuch. Sie lachte, als ich es ihr reichte, aber es hörte sich nicht fröhlich an. Was Dad im Auto gesagt hat. Dass nur Mädchen sich die Haare färben. Und dass das schwul ist. Das verzeih ich ihm niemals . Ich sagte Du musst ihm aber verzeihen , und sie schniefte und fragte Warum . Weil er dein Dad ist , gab ich zur Antwort. Dann sagte sie Na und , worauf mir nichts mehr einfiel. Er ist dein Dad , sagte ich noch mal. Ich wusste nicht, was ich sonst noch sagen sollte. Und wir sind seine Kinder , sagte Jas. Ich verstand nicht, was das bedeuten sollte, deshalb drückte ich einfach ihre Hand. Sie fühlte sich ganz kalt und knochig an.
    Als Dad wegfuhr und mich im Regen stehen ließ, konnte ich nicht mehr in die Schule gehen . Jas starrte auf den Tisch. Ich hab Leo angerufen, und er hat die Uni sausen lassen und mich abgeholt. Wir waren den ganzen Tag zusammen, und es war der schönste Tag meines Lebens. Danach fand ich Schule nicht mehr so wichtig . Ich beugte mich vor und schüttelte den Kopf. Schule ist aber wichtig , sagte ich. Total wichtig. Mum hat gesagt, dass wir mit guten Noten alles kriegen können, was wir wollen . Mum hat gesagt, Bildung …
    Jas hob den Kopf und schaute mir direkt in die Augen. Mum ist nicht hier, Jamie .
    Ich wollte ihr vom Elternabend erzählen und ihr sagen, dass Mum wahrscheinlich jetzt gerade ihre Sachen packte und sich schon darauf freute, mich wiederzusehen. Ich wollte sagen Mum kommt aber her. Morgen um Viertel nach drei wird sie vor meiner Schule stehen . Ohne Nigel . Aber ich sagte nichts. Und ich spürte irgendetwas in mir, das mir Angst machte.
    Morgen geh ich wieder in die Schule , sagte Jas. Ich fälsche eine Entschuldigung von Dad, das wird schon klappen . Ich sagte Versprich’s mir , und sie antwortete Großes Ehrenwort . Dann stand sie auf und spülte das Geschirr ab. Tut mir echt leid , sagte sie noch mal. Das Spülmittel machte Schaum, der wie Schnee und Gischt und Fanta-Blasen aussah. Weil ich gelogen und die Schule geschwänzt hab und so . Ich sagte Ist schon okay , und diesmal meinte ich es auch. Aber es ist echt schwer , sagte Jas, als sie die Tassen spülte. An irgendwas andres zu denken und nicht mit ihm zusammen zu sein. Eines